Klimawandel ist in Bayerns Seen angekommen
Ergebnisse von 15 Jahren Forschung veröffentlicht
Pressemitteilung Nr. 130/22
Auch Bayerns Seen sind vom Klimawandel betroffen. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie des Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie der Technischen Universität München (TUM) im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums. Die dazu heute veröffentlichte Broschüre "Bayerische Seen im Klimawandel" fasst die Ergebnisse von mehr als 15 Jahren klimabezogener Seenforschung zusammen. Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber betonte bei der Vorstellung der Broschüre in Iffeldorf: "Seen prägen Bayerns Landschaft. Unsere Seen sind aber mehr als Fotomotive. Sie verfügen über eine reiche Artenvielfalt und sind zugleich Orte der Erholung, gerade in Zeiten des Klimawandels. Die Langzeitstudie lässt keinen Zweifel: Der Klimawandel ist auch in unseren bayerischen Seen angekommen. Um klimabedingte Veränderungen zu erkennen und frühzeitig Schutzmaßnahmen ergreifen zu können, brauchen wir Forschung mit langem Atem. Die Limnologische Station der Technischen Universität München gehört zu den Pionieren der aquatischen Klimaforschung. Wir haben die wichtige Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerne mit 1,7 Millionen Euro unterstützt."
Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 43 Bergseen (davon 14 in den Tiroler Alpen) sowie weitere 54 Seen untersucht. Die Forschungsprojekte der TUM zeigen: Steigende Wassertemperaturen und häufigere Hochwasserereignisse machen den bayerischen Seen zu schaffen.
- Die Erwärmung um etwa 1,7 Grad Celsius im bayerischen Alpenraum seit den 1970er Jahren führt zu Veränderungen im Ökosystem Bergsee. So hat sich die mittlere Phosphorkonzentration in den bayerischen Bergseen in den zurückliegenden 50 Jahren infolge der Klimaerwärmung fast verdoppelt. Die Temperatur- und Nährstoffzunahmen führen zu einem verstärkten Zuwachs an Plankton.
- Durch Hitzesommer werden Seen träge. Die obersten erwärmten Wasserschichten bleiben im Sommer länger erhalten. Die Seen werden im Herbst seltener oder gar nicht mehr durchmischt. Gleichzeitig nimmt das Algen- und Bakterienwachstum bei Wärme zu. Dadurch reichern sich Nährstoffe in ursprünglich nährstoffarmen Gewässern an – der See düngt sich selbst. Eine Folge: Es wachsen Algen, die bei Menschen schädliche Reaktionen auslösen können. In Oberfranken etwa mussten auch in diesem Jahr mehrere Badeseen wegen Blaualgen gesperrt werden. Während gegenwärtig etwas mehr als 50 Prozent der Seen in Bayern geeignete Umweltbedingungen für nicht heimische Arten bieten, könnten bei einem Anstieg um 1,5 Grad Celsius mehr als 75 Prozent der Gewässer von nicht heimischen Arten besiedelt werden.
- Die mittlere sommerliche Wassertemperatur vieler bayerischer Seen ist gestiegen, und die Dauer erwärmten Wassers wird zunehmend länger. Das zeigt das wärmeliebende heimische Große Nixkraut an, das früher sehr selten war und nun in immer mehr Seen auftritt. In 29 der 54 untersuchten Seen gedeiht diese heimische wärmeliebende Wasserpflanze bereits. Das Vorkommen des Großen Nixkrauts weist darauf hin, dass auch fremde wärmeliebende Wasserpflanzen invasiv in einen See einwandern können.
- Das sensible Wasserschilf, die Kinderstube vieler Tierarten, wird durch wechselnde Wasserstände gefährdet. Durch die Auswertung von Luftbildern am Chiemsee konnte nachgewiesen werden, dass die Gesamtfläche des Schilfs seit 1973 von fast 120 Hektar auf 66 Hektar im Jahr 2015 sank, also um 45 Prozent. Bei der letzten vergleichbaren Schilfkartierung im Jahr 1998 betrugen die Schilfflächen noch 75 Hektar, so dass allein im Zeitraum von 1998 bis 2015 ein Verlust von 12 Prozent auftrat.
- Bergseen in mittlerer Höhe der Alpen spüren den Klimawandel ebenfalls. Hier hat die TUM erstmals aufwändige Untersuchungen durchgeführt. Ergebnisse der Seen-Klimaforschung belegen: Einträge durch Sedimente und Muren, eine Zunahme der Nährstoffverfügbarkeit, steigende Wassertemperaturen und verringerte Eisbedeckungen haben Folgen für Pflanzen und Tiere in diesen Ökosystemen.
- Eine weitere Folge des Klimawandels: Seen mit türkis-trübem Erscheinungsbild als Folge einer Kalkausfällung als Kohlenstoffsenke werden künftig öfter und in einer wachsenden Zahl in Bayern zu beobachten sein. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass in Sedimenten erhebliche Mengen an CO2 in Form von Kalk gebunden und langfristig gespeichert werden.
Die Bilanz: Breits heute ist die Biodiversität der Unterwasservegetation bayerischer Seen infolge des Klimawandels verringert. Eine weitere Erwärmung der Seen führt zu einem weiteren Verlust der Artenvielfalt. Glauber: "Im Rahmen der Gesamtstrategie Wasserzukunft Bayern 2050 spielt auch die Gewässerqualität eine entscheidende Rolle. Wir mobilisieren alle Kräfte, damit Bayern ein vitales Wasserland bleibt. Von 2010 bis 2021 wurde bereits eine Milliarde Euro für den Schutz der Gewässer investiert. Bis 2027 veranschlagen wir zusätzlich 600 Millionen Euro für saubere Gewässer."
Die neue Broschüre gibt auch einen Ausblick auf die Klima-Seen-Forschung der Zukunft. Ein künftiger Schwerpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen sollten beispielsweise die Kleinseen im bayerischen Alpenvorland werden, die ein wesentliches Merkmal der Landschaft sind. In ihrer Summe haben sie die gleiche Bedeutung wie die großen Seen für die bayerische Natur- und Kulturlandschaft. Aufgrund ihres geringeren Volumens reagieren diese Seen besonders sensibel und schneller auf Veränderungen, also auch auf den Klimawandel.
"Bayerische Seen im Klimawandel – Forschungsergebnisse der Technischen Universität München" ist abrufbar unter
Bayerische Seen im Klimawandel - Publikationsshop der Bayerischen Staatsregierung (bayern.de)