Regierungserklärung von Staatsminister Thorsten Glauber am 28. Oktober 2020
"Wasserzukunft Bayern 2050: Wasser neu denken!"
Es gilt das gesprochene Wort!
I. Bayern 2050: Verantwortung annehmen, Wasserzukunft sichern!
Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor fünfzig Jahren hat dieses Hohe Haus Geschichte geschrieben: Am 8. Dezember 1970 haben die Abgeordneten mit großer Mehrheit die Gründung des Bayerischen Umweltministeriums beschlossen. Des ersten in Deutschland, des ersten sogar in Europa. Jedem war klar: Die Umweltschäden werden immer größer. Wir müssen etwas tun. Es war eine Sternstunde des Parlamentarismus. Das Herz unseres Parlaments schlug damals voller Kraft.
Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit. Aber beim Umwelt- und Naturschutz müssen wir langfristig denken. Wir haben drei große Existenzthemen. Diese Existenzthemen sind in einer schicksalhaften Wechselwirkung miteinander verknüpft. Wir müssen sie mit Weitsicht planen, in langen strategischen Linien.
Wir sind erstens beim Klimaschutz gefordert. In ein paar Wochen werden wir hier in zweiter Lesung über das neue Bayerische Klimaschutzgesetz sprechen. Wir haben fast hundert Maßnahmen auf den Weg gebracht – eine starke, historische Offensive für mehr Klimaschutz und mehr Zukunftsverantwortung! Wir sind als Freistaat ins Zeitalter der Klimaneutralität aufgebrochen!
Wir sind zweitens beim Artenschutz gefordert. Wir haben ein Doppelgesetz beschlossen. Ein Volksbegehren plus, epochal! Wir haben damit dem Willen des Souveräns entsprochen. Und wir haben als Legislative Handlungsfähigkeit bewiesen – weil wir uns mehrheitlich und gemeinsam auf die Rettung unserer Lebensgrundlagen verständigt haben.
Die letzten zwei Jahre waren eine Blütezeit für den Artenschutz!
Die Weltenburger Enge als erstes Nationales Naturmonument in Bayern,
der Nationalpark Bayerischer Wald als bald größter deutscher Waldnationalpark,
tausende Hektar neuer Naturwälder,
ein Vertragsnaturschutz, der dynamisch wächst:
Wir haben viel erreicht! Und wir haben vor allem die Blockaden überwunden, die den Klima-, Natur- und Artenschutz zum Spaltpilz in unserer Gesellschaft gemacht haben. Unser Weg ist die Kooperation statt der Konfrontation. Bessermachen statt Besserwissen. Mit den Leuten reden statt über sie. Denn nur miteinander schaffen wir die Herkulesarbeit, die beim Klima- und Artenschutz vor uns liegt.
Heute möchte ich den Schwerpunkt auf das dritte große Existenzthema legen. Das nicht weniger grundlegend ist. Das ebenfalls unsere gemeinsame Kraft erfordert. Und von dem ich weiß, dass es den Ministerpräsidenten genauso umtreibt wie mich – danke für diese klare Positionierung! Unsere Aufgabe lautet: Wir müssen den Einstieg in eine sichere Wasserzukunft schaffen.
Ich möchte mit dem heutigen Tag eine Arbeitsdebatte anstoßen – eine Zukunftsdebatte, die uns und unsere Nachfolger in diesem Haus nicht mehr loslassen wird. Warum? Weil alles auf dem Spiel steht, was uns ausmacht – unsere Gesundheit, unsere Versorgung, unser Wohlstand. Vieles in unserem Leben wird nichtig sein, wenn wir dieses eine Thema nicht auf die Reihe bekommen: Wasser.
Ich möchte mich nicht mit Beispielen aufhalten. Ich könnte Ihnen die Briefe stapelweise vorlesen, Briefe von Bürgern in brennender Sorge. Aber jeder von Ihnen ist im Land unterwegs. Jeder weiß: Felder trocknen aus. Wälder verdursten. Unwetter. Orkane. Jedes Jahr Hitze- und Trockenheitsrekorde. Die Wahrheit lautet, was wir heute anderswo auf der Welt sehen, können wir morgen auch bei uns haben:
Waldbrände wie in Kalifornien.
Backofenstädte wie in Asien.
Hitzetote wie in Frankreich.
Landschaften wie im Italo-Western.
Bewässerungsnot wie in Spanien, dem Land der Mondscheinbrunnen.
Deswegen mein Punkt: Wir müssen den Vorsprung nutzen, den wir gegenüber anderen noch haben. Wir müssen die notwendigen Entscheidungen heute treffen – heute für 2050! Beim Hochwasserschutz sind wir bestens unterwegs – mit dem größten Wasserbauprogramm in der Geschichte des Freistaats. Aber wir müssen unsere Wasserzukunft insgesamt sichern. Das Wasserland Bayern neu denken. Über einen Zeithorizont, hinter dem Legislaturperioden zurückstehen. Der nicht mehr uns, sondern die nach uns in den Blick nimmt. Wir brauchen die Wasserzukunft 2050. Eine gemeinsame Offensive, fünf starke Säulen:
Wasser speichern.
Wasser verteilen.
Wasser schützen.
Wasser schätzen.
Wasser gesamtstaatlich denken.
II. Säule 1: Wasser speichern!
Was ist unser Hauptproblem, Kolleginnen und Kollegen?
Das Hauptproblem ist eine Deutschlandkarte in Gelb, Orange und Rot – der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. Jeder kann diesen Dürremonitor lesen. Jeder kann sehen: Das vergangene Jahrzehnt ist mit Abstand das farbigste seit siebzig Jahren [Beginn des Dürrevergleichs mit dem Jahr 1952]. Das gilt für den Oberboden. Es gilt aber auch für den Gesamtboden.
Insbesondere das Grundwasser geht uns verloren. Wir hatten im Schnitt der vergangen zehn Jahre fast ein Fünftel weniger Grundwasserneubildung! Tendenz negativ, die Grundwasserneubildung nimmt weiter ab. Wir sind auf dem besten Weg in einen Grundwassernotstand!
Fazit also:
Die Landschaft trocknet aus.
Es fehlt uns das Wasser in der Fläche und in der Tiefe.
Wir müssen deshalb zurück in die Zukunft.
Der hitzegestresste Boden wird zum Knäckebrot, irgendwann zum Sand – er hat kein Wasser und nimmt auch keins mehr auf. Wir müssen weg vom entwässerten Boden, auf den die Sonne knallt. Die Vision ist der speicherfähige Boden mit schattenspendendem Uferstreifen.
Das heißt für mich: Ich werde bis Ende nächsten Jahres ein Programm mit dem Titel „Wasserzukunft Bayern 2050“ auflegen. Ein Ziel: unseren Landschaftswasserhaushalt wiederherstellen, die Böden und Moore als CO2-Speicher zurückgewinnen, Wasser versickern so viel und so flächig wie möglich –
Böden erhalten und aufbauen,
schattenspendende Uferstreifen entwickeln,
Versickerungsstrukturen schaffen,
Drainagekataster und -management,
Auen regenerieren, Gewässer renaturieren, Wälder erhalten.
Dieses Programm wird ein gesamtgesellschaftliches Programm sein. Ohne Parteipolitik. Ich möchte die Landwirte und Förster mit am Tisch, Kommunen, Landschaftspflegeverbände. Meine Wasserexperten haben sich schon an die Arbeit gemacht. Ich habe allein in meinem Haus die geballte Expertise von 80 Fachleuten. Wir haben das Landesamt für Umwelt, die Wasserwirtschaftsämter, die Kolleginnen und Kollegen an den Regierungen. Zusätzliche Impulse erwarten wir uns aus der Expertenkommission „Wasserversorgung“, der ich vorsitze – die erste Sitzung hat bereits stattgefunden. Wir machen uns im Schulterschluss mit allen Betroffenen auf den Weg – für einen gesunden Wasserhaushalt, gesunde Böden, gesunde Landwirtschaft!
Wasser in der Fläche, Kolleginnen und Kollegen: Das heißt natürlich auch Schwammstädte in Bayern!
Auch hier müssen wir umdenken – uns entsiegeln im wahrsten Sinne. Keine Stadt braucht so viel Wasser unter sich wie Venedig. Aber Dubai soll’s bitte auch nicht sein! Wir brauchen Schwammstädte – Städte, die wir nicht zubetonieren. Die Regenwasser speichern. Damit uns das kostbare Stadtgrün nicht gleich eingeht – so wie in Würzburg, wo sie vorletztes Jahr 5.000 vertrocknete Bäume fällen mussten. Damit wir den Backofen-Effekt verhindern – und mit ihm das Taumeln der Städter in den Hitzestress.
Deswegen gehen wir mit Hochdruck an das Mega-Generationenthema „Sponge City“ und „Sponge Village“ ran, „Schwammstadt“ und „Schwammdorf“:
Wir erstellen das Konzept für die Stadt und das Dorf der Zukunft – mit dem ganzen Instrumentenkasten von grünen Lungen über Gebäudegrün bis Bauleitplanung. Meines Erachtens müssen wir auch das Baurecht anpassen.
Und wir starten Pilotprojekte zur Umsetzung dieses Konzepts – mit Partnern, die längst verstanden haben, worum es geht: kommunalen Spitzenverbänden, Architekten, Ingenieuren, Verbänden, Akteuren vor Ort.
Mit unserer Initiative „Stadt.Klima.Natur“ stärken wir zusammen mit dem Bauministerium die grüne und blaue Infrastruktur in den Kommunen. Diese Kommunen sind die künftigen Leuchttürme des Schwammstadtprinzips. Unser Ziel ist klar: Wir wollen mehr davon.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Natürliche Wasserspeicher wiederherstellen – das wird die große Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte sein. Der Mensch kann viel. Aber unseren Boden ersetzen, das kann er nicht. Wir brauchen den Boden wieder als Schwamm.
Ergänzend dazu brauchen wir unsere Speicher- und Überleitungssysteme. Wir pumpen mit der Donau-Main-Überleitung, dem Epochenbauwerk für den Wasserausgleich in Bayern, 150 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr vom Süden in den Norden. 150 Millionen! Eine gigantische Lebensversicherung in Blau für Regnitz und Main! Die Prämie dafür zahlen wir gerne – sechs Millionen Euro im Jahr für Betrieb und Unterhalt. Die Überleitung ist eine Antwort voller technischer Kraft auf ein Problem natürlicher Schwäche – den geringen Niederschlag in Franken. Sie müssen sich vorstellen: Wir haben in Franken Gegenden, in denen der jährliche Niederschlag bei 500 Litern pro Quadratmeter liegt. Das ist ein Niveau, wie Sie es auch in Teilen Israels und Jordaniens haben!
Heißt also: Wir brauchen die Speicher als wichtige zusätzliche Stütze. Gerade auch an den Oberläufen der fränkischen Flüsse! Speicher können in Trockenperioden das Schlimmste verhindern und insbesondere das ökologische System eines Gewässers retten. Ein solches System ist schneller hinüber, als der Mensch schaut.
Der Main zum Beispiel wäre ohne frisches Wasser letztes und vorletztes Jahr mit ziemlicher Sicherheit gekippt. Deswegen ist die Überleitung so unverzichtbar. Sie müssen wir klimasicher machen – für alle Zeiten! Mein Ehrgeiz ist: Beide Überleitungsstränge sollen sicher sein – der aus dem Brombachsee und der aus der Donau. Vor zwei Jahren zum Beispiel kam das Wasser für den Main fast ausschließlich aus dem Brombachsee. Die Donau war ja selber viel zu niedrig! An diesem Schwachpunkt möchte ich ansetzen. Wir helfen der Donau bei Niedrigwasser wieder auf die Beine – erst der Donau, dann dem Main und im Weiteren der Schifffahrt, der Landwirtschaft, unserer gesamten Natur.
Handlungsauftrag also für uns: ein großer, bayernweiter Speichercheck. Das Wasserland Bayern in die Zukunft denken, den natürlichen Wasserhaushalt in der Fläche wiederherstellen und zusätzlich technisch unser Bestes geben – das muss unser Anspruch sein. Ich will wissen, was aus heutiger und wahrscheinlich künftiger Sicht die beste Speicherstrategie für unser Land ist. Deswegen eine neue Speicherstudie, deswegen ein neuer „Generalplan Niedrigwasserspeicher“ – und das Ganze selbstverständlich nicht als Alleingang, sondern als konzertierter Prozess mit allen Kritischen, Kreativen und Klugen. Ich freue mich darauf – gerade auch auf den Input der neuen Expertenkommission.
III. Säule 2: Wasser verteilen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Klug ist es auch, immer wieder einmal in die Geschichte zu schauen. Die Geschichte des Wassers ist eine Entwicklungsgeschichte des Menschen. Die römischen Aquädukte waren vor 2.000 Jahren der Inbegriff von Innovation. Sie waren die Arterien eines Weltreichs. So wie unsere Wasserversorgung heute ein blaues Netz der Daseinsvorsorge ist.
Das Schicksal einer guten Wasserversorgung ist leider ihre Unsichtbarkeit. Kommt ja alles aus dem Wasserhahn. Tatsache aber ist: Ein Land, dessen Wasserversorgung nicht mehr funktioniert, ist im freien Fall. Die Wasserversorgung ist das Thermometer für Lebensqualität. Ich möchte diesen Wert hier wieder einmal ins Bewusstsein rücken. Und ich möchte allen vor Ort danken, die an den Anlagen ihren Dienst tun. Die jeden Tag, 24 Stunden, rufbereit nachts, an Sonn- und Feiertagen, mit ihrer ganzen Kompetenz und mit ihrem ganzen Herzblut das Wasserland Bayern am Laufen halten. Auch in Zeiten von Corona. Obwohl sie niemand sieht. Obwohl die meisten nicht einmal wissen, dass es sie gibt.
Eure Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unverzichtbar!
Sie ist kostbare Daseinsvorsorge mit einem kostbaren Gut!
Ich danke Euch vielmals – gemeinsam, ich bin so frei, mit allen Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses.
Meine Damen und Herren!
Meine Aufgabe ist es, die Wasserversorgung in Bayern in eine sichere Zukunft zu führen. Ich mache das erstens mit dem Expertenstab in meinem Haus – Leute mit exzellenter Reputation. Und ich mache das zweitens mit einer großen Offenheit für neue Wege. Das „Denken ohne Geländer“, das Hannah Arendt empfiehlt – genau das müssen wir versuchen, wenn wir hier drinnen mit der Entwicklung da draußen Schritt halten wollen!
Deshalb arbeiten wir im Ministerium jetzt am Zukunftskonzept zur Fernwasserversorgung. Wir überprüfen gemeinsam mit den Fernversorgern den Status quo. Und wir machen eine Prognose zu den Wassermengen, die wir bis 2050 brauchen und zur Verfügung haben werden. Wenn wir irgendwo Gefahr am Horizont sehen, werden wir sofort aktiv. Zusätzliche Gewinnungsanlagen, Speicher, Leitungen – wir werden nichts unterlassen, was unsere Wasserversorgung fit für die Zukunft macht.
Ein Schluck aus der Pulle wäre in diesem Zusammenhang das Projekt einer zusätzlichen Fernwasserleitung „West“. Mit diesem Projekt können wir ein riesiges zusätzliches Trinkwasserpotenzial heben: Wir fördern Grundwasser, zum Beispiel aus dem Donauraum. Reinigen es. Und schicken es als Edelressource nach Franken. Trinkwasser, gewonnen aus dem Uferfiltrat südbayerischer Flüsse, ein Potenzial von Millionen Kubikmetern Wasser! Dieses Potenzial heben wir.
Einen weiteren Stabilisierungsschub verspreche ich mir von der verstärkten Vernetzung der Fernwassersysteme. Insbesondere unserer beiden Trinkwassertalsperren Frauenau in Niederbayern und Mauthaus in Oberfranken. Aber auch mit unseren Nachbarn möchte ich neue Versorgungspartnerschaften prüfen – mit Baden-Württemberg, mit Sachsen und Thüringen. Wir prüfen alles, das Denkbare und das noch nicht Gedachte. Genau das meine ich, wenn ich „Wasser neu denken“ sage. Bisher war das Prinzip immer: Wasser vom Süden in den Norden bringen. Künftig soll das Prinzip auch sein: Wasser vom Norden in den Norden bringen! Ein solcher Handschlag der Verantwortung mit unseren Nachbarn in Erfurt und Dresden: Dieser Punkt steht auf meiner To-Do-Liste ganz oben.
Fazit also, Kolleginnen und Kollegen: Wir nutzen unser Wasser besser und flexibler, wenn wir es an mehreren Orten für mehrere Orte bereithalten! Das gilt für die Fernwasserversorgung. Und das gilt natürlich genauso für die Wasserversorgung vor Ort. Besser gemeinsam als einsam – das ist immer so! Wir haben in diesem Jahr mit den neuen „Wasserversorgungsbilanzen 2050“ begonnen, um herauszufinden: Wird jede Stadt, jedes Dorf im Jahr 2050 noch genug Trinkwasser haben? Trotz Klimawandel? Trotz Belastung des Grundwassers? Trotz weniger Neubildung?
Die Bilanzen sind noch nicht fertig, aber wir wissen jetzt schon: Der Wasserhahn könnte trocken bleiben, wenn wir nichts tun. Notwendig ist eine neue Stufe der interkommunalen Vernetzung. An dieser neuen Entwicklungsstufe arbeiten wir – mit voller Kraft und gemeinsam mit unseren Partnern, den Kommunen.
Wir haben Förderbescheide ausgegeben für 400 Kilometer neue Verbundleitungen, für eine neue Art der Nachbarschaftshilfe zwischen den Kommunen untereinander.
Und wir verlängern die RZWas um weitere vier Jahre. Die RZWas ist so erfolgreich, dass wir vorübergehend dichtmachen mussten – Mittel überbucht! So ein Erfolg freut den Wasserminister, das können Sie mir glauben. Das zeigt: Die Entscheidungsträger vor Ort wissen ganz genau, welchen Schatz sie in ihren Trink- und Abwasseranlagen haben. Sie erwarten zu Recht, dass jeder sie unterstützt. Jeder einzelne von uns, der hier sitzt. Wasser muss einfach sauber bleiben. Es verträgt nicht einmal die kleinsten parteipolitischen Spurenelemente.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Thema „Verteilung“ gehört auch die Bewässerung auf dem Feld. Klar ist: Wir brauchen eine trockenheitsangepasste Landwirtschaft. Die Bewässerung muss die Ausnahme bleiben. Sie kann nicht auf alles ausgedehnt werden, Stichwort Biogasmais. Aber wir sehen, dass unsere Landwirte enorm unter Wasserstress stehen. Daher unterstützen wir sie als Staatsregierung mit unserem bayernweiten Aktionsplan für Bewässerung.
Im Klartext: Wir erproben intelligente Bewässerungskonzepte, die der Landwirtschaft weiterhelfen – inklusive neuer Technik, inklusive neuer Infrastruktur. Das Bewerbungsverfahren für unser Pilotprogramm dazu läuft noch bis zum Dezem-ber. Das Ziel sind kluge Bewässerungskonzepte – etwa für Obst und Gemüse, für Hopfen und Wein. Wir werden drei Pilotprojekte intensiv fördern. Bei Erfolg gerne mehr! Unser gemeinsamer Grundsatz lautet, liebe Michaela Kaniber: Je mehr Nachhaltigkeit auf dem Feld, desto besser!
Wer sich ein bisschen auskennt mit der Landwirtschaft, der weiß: Unsere Landwirte sind Alleskönner. Früher waren sie einmal Landwirte. Dann wurden sie Betriebswirte. Dann wurden sie Energiewirte. Und jetzt werden sie Wasserwirte. Aber, das sage ich hier und heute fest zu: Wir unterstützen sie dabei mit aller Kraft. Die Mitarbeiter in den Wasserwirtschaftsämtern, in den Naturschutzbehörden, die staatlichen Berater vor Ort – sie alle stehen fest an ihrer Seite. Wir können die Zukunft nur gemeinsam gewinnen. Mit den Land- und Forstwirten. Mit intakten Landschaften. Mit gesundem und sauberem Wasser.
IV. Säule 3: Wasser schützen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gesundes und sauberes Wasser: Wenn Gollum aus „Herr der Ringe“ der Leiter eines Wasserwirtschaftsamts wäre, dann wüssten wir, was er meint, wenn er dauernd „mein Schatz“ sagt – bayerisches Wasser!
Geschöpft vielleicht aus einer unserer Trinkwassertalsperren.
Einem Quellbach im Nationalpark Bayerischer Wald.
Oder dem Königssee im Nationalpark Berchtesgaden.
Bayern ist das Glücksland Nummer eins, weil Wasser das Lebensmittel Nummer eins ist. Gerhard Polt spricht mir da aus der Seele – „ich muss nicht wohin, ich bin schon da“. Ich will nicht pathetisch werden, aber es ist so: Bayerisches Wasser ist ein Geschenk des Himmels!
Dieses Geschenk ist unantastbar. Es ist nicht verhandelbar. Da gibt es kein Pi mal Daumen, keine Ausnahme, kein Schaun mer mal. Wasser ist heilig – und zwar nicht nur als Weihwasser!
Deswegen müssen wir natürlich die Nitratbelastung aus dem Boden kriegen. Wir müssen natürlich die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln senken. Was denn sonst?
Ich gebe aber zu Protokoll, weil das immer verwechselt wird: Wir messen bei der Düngeverordnung den Blutdruck. Das machen wir mit hochmodernen Messstellen. Die wir für zusätzliche Messgenauigkeit mehr als verdoppeln – 1.500 statt bisher 600.
Aber: Die Medikamente verschreiben nicht wir, die verschreibt der zuständige Arzt. Und ich bin sicher, dass die zuständige Ärztin in Bayern auch die richtigen Medikamente verschreibt. Stickstoff ist sicherlich nicht nur Landwirtschaft, da gibt es schon noch ein paar Faktoren mehr. Aber die Lösung der Problematik gelingt nur mit der Landwirtschaft.
Bei den Gewässerrandstreifen zum Beispiel sehe ich uns deshalb auf einem guten Weg, weil wir ihn gemeinsam gehen. Aber auch hier geht noch mehr. Die neue Währung ist Schatten. Ich möchte den gemeinen bayerischen Gewässerrandstreifen weiterentwickeln zum Uferrand de luxe: mit Hecken, Bäumen und den entsprechenden Fördermitteln.
Klar ist: Scheitern wir in diesem Ringen um sauberes Wasser, können wir uns alle miteinander auf die Schultern klopfen. Wir sind dann nämlich alle Verlierer – vor uns selber und vor künftigen Generationen. Raffen wir uns beim Thema „sauberes Wasser“ also auf zu einem Verantwortungspakt – wir Heutige aus innerster Verantwortung für das gute Leben unserer Kinder und Enkel!
Diesen Pakt brauchen wir auch bei den Wasserschutzgebieten. So ein Wasserschutzgebiet ist manchmal wie der Regensburger Dom – eine ewige Baustelle. Wir haben 3.200 Wasserschutzgebiete in Bayern, von denen rund 400 ständig neu anzupassen sind. Dieses „Work in progress“ ist ein normaler Prozess, den ich in Zukunft aber beschleunigen möchte. Acht Jahre durchschnittliche Verfahrensdauer sind zu lang. Die große Mehrheit der Menschen vor Ort möchte Planungssicherheit haben. Mein Appell geht daher an alle kommunalen Mandatsträger: Helft uns bei den Wasserschutzgebieten! Die Wasserzukunft 2050 gibt es nur gemeinsam!
Und noch ein letzter Punkt zur Zukunft, denn Zukunft ist ja immer auch Technik: Plastik im Meer muss zum No go des 21. Jahrhunderts werden. Auch dem Mikroplastik und den Spurenstoffen in unseren Flüssen sagen wir den Kampf an.
Aber wo es Verunreinigungen gibt, müssen wir das Wasser auch reinigen können. Uferfiltrat zum Beispiel, das zum Trinkwasser werden soll. Hier brauchen wir in unseren Kläranlagen absolute Spitzentechnologie. Wir brauchen die vierte Reinigungsstufe, mit der wir noch die allerletzten Spurenstoffe aus dem Wasser herausbringen. Unser Ziel sind neunzig Kläranlagen mit einer solchen vierten Reinigungsstufe. Das Geld dafür lohnt sich – es bringt uns einen Siebenmeilenschritt zur Trinkwassersicherheit Bayern 2050.
V. Säule 4: Wasser schätzen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jetzt wird’s erst ein bisschen psychologisch und dann ein bisschen pädagogisch. Denn Wasser ist nicht nur etwas, was man speichert oder verteilt. Wasser und Wasserlandschaften sind Balsam für einen gesunden Körper und einen frischen Geist.
Nach dem Joggen das kühle Nass.
Das Baden im See.
Der Spaziergang am Fluss durch die Auenlandschaft.
Und dann noch diese großartige Geschichte des Wasserbaus und der Wasserversorgung in Bayern. Von der Fossa Carolina über die Kanäle in Augsburg – ein UNESCO-Welterbe! – bis hin zur Donau-Main-Überleitung.
Das alles ist Wasser. Und das alles müssen wir wieder mehr in unser Hirn und unser Herz bekommen!
Deswegen werde ich eine Bewusstseinsoffensive „Wasserland Bayern“ starten. Wir werden Wasserbotschafter gewinnen, die internationale Reputation haben. Herzstück der Offensive soll ein neues „Haus des Wassers“ werden. Ein Forschungs-, Bildungs- und Begegnungszentrum, offen für alle Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte insbesondere die Schulen an dieses Thema wieder stärker heranführen. Die Kinder wissen, wie ein römisches Aquädukt aussah, und waren schon einmal in der Blauen Grotte auf Capri. Aber wo unser Wasser heute herkommt, das wissen sie oft nicht. In Zeiten von Corona machen sich Erwachsene über ihr Wasser weniger Gedanken als über Klopapier.
Diese Wissens- und Bewusstseinslücke möchte ich schließen. Und sie lässt sich auch schließen, gerade bei Kindern. Ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Kind gesehen, das Wasser nicht spannend findet. Das „Haus des Wassers“ soll daher eine Strahlkraft haben, die Spuren hinterlässt. Es soll die Kinder interessieren. Dann faszinieren. Und am Ende motivieren – zum Spaziergang an den Bach oder Fluss vor der eigenen Haustür. Die Menschen wieder mehr an ihre Lebensgrundlagen heranführen: Das gelingt, wenn wir es früh beginnen und gut machen. Die Bewusstseinsoffensive „Wasserland Bayern“ wird ein starker Beitrag dazu sein.
Aus dieser Begegnung mit dem Wasser ergibt sich noch ein weiterer Effekt: Wir holen das Wasser aus der Selbstverständlichkeitsfalle heraus – immer da, nie knapp. Und motivieren dadurch zum sparsamen Umgang. 130 Liter verbraucht jeder von uns am Tag – das ist einfach zu viel. Noch wichtiger ist das so genannte virtuelle Wasser, das in unseren Konsumgütern steckt – Lebensmittel, Kleidung. 4.000 Liter verstecktes Wasser pro Tag und pro Person. 4.000 Liter!
Diesem enormen Bedarf können wir nur, nein, müssen wir durch Nachhaltigkeit und Respekt begegnen. Indem wir essen, was wir im Kühlschrank haben. Und nur kaufen, was wir brauchen.
Denn: Wasser sparen heißt Ressourcen schonen.
Ressourcen schonen heißt verantwortungsbewusst leben.
Verantwortungsbewusst leben heißt eine gute Zukunft sichern. Und genau das ist unser Ziel.
VI. Säule 5: Wasser gesamtstaatlich denken!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wasser neu denken, das heißt Wasser auch gesamtstaatlich denken. Ein guter Wasserwirtschaftler ist wie das Wasser selbst – die Grenzen von 16 Bundesländern sind nicht sein Rahmen. Das ist gut so. Das Denken im gesamtstaatlichen Maßstab ist beim Hochwasserschutz bereits Selbstverständlichkeit. Wir wollen es für das Thema „Wasser“ insgesamt etablieren.
Wichtig ist mir: Wir brauchen immer eine regionale Wasserversorgung, die funktioniert. Das wichtigste aller zehn Gebote ist für mich deswegen das elfte: Du sollst die Wasserversorgung in kommunalen Händen lassen. Und: Wir müssen in Sachen Gewässerschutz als Freistaat unser Bestes geben. Dort aber, wo wir an unsere Grenzen stoßen, muss auch der Bund aktiv werden.
Daher brauchen wir zusätzlich zu unserer Länderstrategie eine Nationale Wasserstrategie. Ich bin froh, dass der Nationale Wasserdialog auch zu diesem Ergebnis gekommen ist. Die Beratungen sind jetzt abgeschlossen. Der Bund hat die Strategie für das nächste Jahr angekündigt.
Ich werde mich in der Umweltministerkonferenz für die richtigen Inhalte stark machen: Wir brauchen analog zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm ein nationales Gewässerschutzprogramm mit einem kräftigen Finanzpaket. Wir können schneller und besser werden, wenn wir den Bund strukturell und finanziell im Rücken haben. Ich verspreche Ihnen: In die Diskussion zu diesem Thema werden wir uns mit unserem ganzen Sachverstand einbringen.
VII. Mut zur Zukunft: Für die Wassermilliarde!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die „Wasserzukunft Bayern 2050“ ist ein Generationenprojekt. Wir stellen heute die Weichen für morgen. Wir machen das Wasserland Bayern fit für die Zukunft.
Diese Zukunft ist nicht umsonst. Sicher aber ist: Wir bekommen heute noch den besten Preis.
Wir brauchen die Bayerische Wassermilliarde.
Wir brauchen das Personal dazu.
Und wir brauchen dieses Personal vor allem wieder in der Fläche. Wir haben in der Vergangenheit abgebaut statt aufgebaut. Jetzt sehen wir: Ein Klimafaktor für das wasserwirtschaftliche Personal von mindestens zwanzig Prozent wäre nicht nur klug, sondern auch notwendig.
Wir müssen jetzt anfangen, werben, ausbilden. Der Markt ist leer. Forschung, Planung, Beratung, Bau, Unterhalt: Wir brauchen Profis, denen wir die Zukunft anvertrauen können. In deren Hände wir unser blaues Gold legen. Die in Gedanken, Worten und Werken tief erfüllt sind von dem, was dieses Land ausmacht: seine einzigartige Schönheit. Und sein unglaublicher Reichtum an natürlichen Ressourcen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor fünfzig Jahren haben unsere Vorgängerinnen und Vorgänger hier in diesem Saal die Gründung des ersten Umweltministeriums in Europa beschlossen.
Vor ihrer Umsicht ziehe ich den Hut.
Und ihre Weitsicht macht mich staunen.
Mein Appell ist: Bekennen wir uns zu unserer Verantwortung.
Arbeiten wir als Parlament gemeinsam und partnerschaftlich an den großen Umweltherausforderungen dieser Zeit.
Arbeiten wir an dem großen Ziel der „Wasserzukunft Bayern 2050“.
Ohne Ansehen der Partei.
Ohne Anspruch auf höhere Weisheit oder moralische Überlegenheit.
Wir haben eine Verantwortung, die jede parteipolitische Kategorie sprengt. Wir alle sind die Anwälte der Lebensressource Nummer eins.
Wasser ist nicht nur Lebensmittel.
Wasser ist Leben!