Radiologischer/Nuklearer Notfallschutz
In Deutschland unterliegen alle kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen, bzw. Tätigkeiten im Zusammenhang mit radioaktiven Stoffen, einer strengen Aufsicht und Auflagen. Diese sind unter anderem im Atomgesetz (AtG), im Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) geregelt. Durch die gesetzlichen Regelungen und die Umsetzung der darin festgelegten Maßnahmen, sollen Zwischenfälle verhindert werden, durch die erhöhte Werte von Radioaktivität freigesetzt werden könnten.
Sollte es dennoch im In- oder Ausland zu einem Ereignis kommen, bei dem größere Mengen Radioaktivität freigesetzt werden, so haben Bund und Länder zur Bewältigung dieses Ereignisses, ein Notfallmanagementsystem aufgebaut. Den Bundes-, Länder- bzw. Kommunalbehörden kommen dabei ganz unterschiedliche Aufgaben im Bereich der Notfallvorsorge bzw. Notfallbewältigung zu. Das Ziel des radiologischen/nuklearen Notfallschutzes ist, die Bevölkerung und die Einsatzkräfte vor einer Exposition gegenüber erhöhter Radioaktivität zu schützen, sowie die Kontamination von Umwelt und Sachgütern zu vermeiden.
Der radiologische/nukleare Notfallschutz im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen gliedert sich in den anlageninternen und den anlagenexternen Notfallschutz. Der anlageninterne Notfallschutz beschreibt die Maßnahmen innerhalb einer kerntechnischen Anlage, der anlagenexterne Notfallschutz umfasst die Maßnahmen außerhalb der kerntechnischen Anlage.
Infoseite des BfS zu Aufgaben von Bund, Ländern und Betreibern im radiologischen Notfallschutz
Anlageninterner Notfallschutz
Innerhalb einer kerntechnischen Anlage ist der Betreiber für die Sicherheit der Anlage verantwortlich. Der anlageninterne Notfallschutz umfasst alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die innerhalb der kerntechnischen Anlage dafür sorgen, dass keine gefährlichen Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt gelangen. Sollte ein Notfall eintreten, informiert der Betreiber einer Anlage fortlaufend die atomrechtliche Aufsichtsbehörde und die Katastrophenschutzbehörde über die Anlagensituation und Gefahrenlage in der Umgebung der Anlage. Für die Aufsicht von kerntechnischen Anlagen ist in Bayern das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) zuständig.
Eine weitere wichtige Aufgabe des Betreibers sind Messungen und Probenahmen in der Umgebung der Anlage, um den Austritt bzw. die Art und Menge von radioaktiven Stoffen frühestmöglich zu erkennen und bewerten zu können.
Anlagenexterner Notfallschutz
Das für den Strahlenschutz in Bayern verantwortliche Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) bildet bei einem radiologischen Notfall zusammen mit dem Landesamt für Umwelt (LfU) den radiologischen Stab. Dieser bewertet die Situation und empfiehlt der einsatzleitenden Führungsgruppe Katastrophenschutz an der jeweils betroffenen Regierung einzuleitende Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Zur Überwachung der Umweltradioaktivität und zur Einschätzung einer möglichen Notfallsituation betreiben Bund und Länder verschiedene Messnetze. Der Bund betreibt das Integrierte Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS). In Bayern gibt es zudem das Kernreaktor-Fernüberwachungssystem (KFÜ) und das Immissionsnetz für Radioaktivität (IfR).
Zur Darstellung der radiologischen Lage und für die Empfehlung von Schutzmaßnahmen erfolgt die Erstellung eines sogenannten radiologischen Lagebildes. Bei einem Notfall, bei dem sich die Auswirkungen im Wesentlichen auf das Land beschränken, in dem sich dieser ereignet hat (regionaler Notfall), wird das radiologische Lagebild durch das Land (in Bayern durch den bayerischen radiologischen Stab) erstellt. Bei einem Notfall, bei dem sich die Auswirkungen über Bayern hinaus erstrecken (überregionaler Notfall), wird das radiologische Lagebild durch das radiologische Lagezentrum des Bundes (RLZ) erstellt.
Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung
Information der Bevölkerung
Die Warnung und Unterrichtung der Bevölkerung über den Eintritt eines kerntechnischen Unfalls mit möglichen Folgen auf die Umgebung erfolgt durch die Katastrophenschutzbehörde. Diese nutzt unter anderem die folgenden Kommunikationsmittel:
- Sirenensignal (einminütiger Heulton) und/oder Rundfunk (Hörfunk-/Fernseh-) durchsagen
- Warn-Apps (NINA, KATWARN,…)
- Lautsprecherdurchsagen von Einsatzfahrzeugen
- Persönliche Information durch Einsatzkräfte im unmittelbaren Gefahrenbereich
Persönliche Schutzmaßnahmen
Es wird dringend angeraten, behördliche Verhaltensempfehlungen zu beachten. An persönlichen Schutzmaßnahmen können in Betracht kommen:
- Einfache Hygiene- und Dekontaminationsmaßnahmen (z.B. Duschen, Nach Aufenthalt im Freien Überkleider und Schuhe wechseln, …)
- Einschränkung des Verzehrs bestimmter, möglicherweise radioaktiv kontaminierter Nahrungsmittel (z.B. Freilandgemüse aus dem eigenen Garten)
- Aufsuchen von bzw. Aufenthalt in Gebäuden
- Schließen von Fenstern und Außentüren, Abschaltung von Lüftungs- und Klimaanlagen
- Einnahme von Kaliumiodidtabletten (nur nach Anweisung der Katastrophenschutzbehörde) zur Reduzierung der Strahlenbelastung der Schilddrüse
- Evakuierung (nur nach Anweisung der Katastrophenschutzbehörde)
Notfall-Dosiswerte
Zur Entscheidung über frühe Schutzmaßnahmen in einem radiologischen Notfall werden Dosiswerte in der Notfall-Dosiswerte-Verordnung – NDWV festgelegt. Frühe Schutzmaßnahmen sind die Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden, die Verteilung und Aufforderung zur Einnahme von Jodtabletten oder die Evakuierung.
Im Folgenden sind die jeweiligen Dosiswerte und die dazu angemessenen Schutzmaßnahmen aufgeführt:
Effektive Dosis: 10 mSv
Maßnahme: Aufenthalt in Gebäuden
(Integrationszeit und Expositionspfad: Äußere Exposition in 7 Tagen und effektive Folgedosis durch in diesem Zeitraum inhalierten Radionuklide bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien)
Organ-Äquivalentdosis: 50 mSv (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sowie Schwangere),
250 mSv (Personen von 18 bis 45 Jahren)
Maßnahme: Einnahme von Kaliumiodidtabletten
(Integrationszeit und Expositionspfad: Im Zeitraum von 7 Tagen inhaliertes Radioiodid einschließlich der Folgeäquivalentdosis bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien)
Effektive Dosis: 100 mSv
Maßnahme: Evakuierung
(Integrationszeit und Expositionspfad: Äußere Exposition in 7 Tagen und effektive Folgedosis durch in diesem Zeitraum inhalierten Radionuklide bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien)
Notfallstationen und Strahlenunfallzentren
Die Bevölkerung wird zudem über die Einrichtung und Standorte von sogenannten Notfallstationen unterrichtet. Diese sind für die Versorgung von möglicherwiese kontaminierten Personen vorgesehen. Hier können eine Abschätzung einer eventuellen Strahlenexposition, der Wechsel von Kleidung und Hilfsmaßnahmen durchgeführt werden.