Strahlenschutz und Umweltradioaktivität
Bereits während der 50er Jahre hat Bayern begonnen, die Radioaktivitätsgehalte verschiedener Umweltmedien regelmäßig zu überwachen. Dadurch sollte ein Überblick über den Eintrag von Radioaktivität durch die oberirdischen Atombombenversuche der USA und der damaligen UdSSR gewonnen werden.
Eine rechtliche Grundlage für die Überwachung der Umweltradioaktivität ergab sich aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) im Jahre 1957. Seit 1960 sind die Überwachungsaufgaben in Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.
In der Folge des Reaktorunfalls von Tschernobyl 1986 wurden auch Teile der Bundesrepublik und insbesondere Bayerns großräumig radioaktiv kontaminiert. Die im Verlauf dieser Krise gesammelten Erfahrungen haben noch im selben Jahr zur Verabschiedung des „Gesetzes zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung“, auch Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) geführt. Damit sollte ein einheitliches und koordiniertes Handeln aller beteiligten Behörden von Bund und Ländern in einem derartigen Krisenfall gewährleistet werden.
Unter anderem wurde eine neue Grundnorm der EU, die Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 05.12.2013 durch das Strahlenschutzgesetz umgesetzt. Die Regelungen des StrVG wurden im neuen Strahlenschutzgesetz aufgenommen und das StrVG außer Kraft gesetzt. Das Gesetz modernisiert und erweitert das bestehende Regelwerk und passt es an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik an.
Strahlenschutzgesetz (StrlSchG)
Umfassender Schutz vor schädlicher Strahlung in der Medizin, Schutz vor Radon in Aufenthaltsräumen oder an Arbeitsplätzen und bessere Vorsorge für den Notfall –das sind zentrale Bereiche des neuen Strahlenschutzgesetzes vom 27.06.2017. Die Neuregelung spiegelt die wachsende Bedeutung des Strahlenschutzes in vielen Lebensbereichen wider und schafft klare Strukturen. Damit wird auch eine neue Grundlage für den Strahlenschutz geschaffen.
Das Gesetz gliedert sich neben allgemeinen Regelungen in vier Hauptteile:
- 1. Strahlenschutz bei geplanten Expositionssituationen
"Strahlenschutz bei geplanten Expositionssituationen" umfasst den Bereich der „Tätigkeiten“ der jetzt gültigen Strahlenschutzverordnung. Regelungen zur Früherkennung von Krankheiten mittels radiologischer Verfahren sowie ein Informations- und Meldesystem bei Vorkommnissen im medizinischen Bereich gehören ebenso dazu, wie der Schutz vor NORM (naturally occurring radioactive materials). - 2. Strahlenschutz bei Notfallexpositionssituationen
Regelungen zum Notfallschutz und die Einrichtung eines radiologischen Lagezentrums, für dessen operationelle Umsetzung das Bundesamt für Strahlenschutz in wesentlichen Teilen zuständig sein wird, finden sich im Teil "Strahlenschutz bei Notfallexpositionssituationen". - 3. Strahlenschutz bei bestehenden Expositionssituationen
Die neuen Vorgaben zum Umgang mit Radon sowie Regelungen zu radioaktiven Altlasten und zu Radioaktivität in Bauprodukten werden im Teil "Strahlenschutz bei bestehenden Expositionssituationen" geregelt. „Arbeiten“ im Sinne der jetzt gültigen Strahlenschutzverordnung fallen zukünftig unter „bestehenden Expositionssituationen". - 4. Expositionsübergreifende Vorschriften
Im Bereich "Expositionsübergreifende Vorschriften" sind unter anderem Vorgaben zum Strahlenschutzregister zusammengefasst, mit denen im Strahlenschutz Beschäftigte besser geschützt werden sollen.
Radioaktivitätsüberwachung
Eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen ist zweifellos die ständige Umweltüberwachung. Dabei werden die Radioaktivität in Luft und Niederschlag in Bundeswasserstraßen sowie in Nord- und Ostsee, die Gammaortsdosisleistung von Bundesbehörden überwacht.
Dagegen ermitteln die Bundesländer die Radioaktivität insbesondere in
- Lebensmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft Futtermitteln
- Trink- und Grundwasser bzw. oberirdischen Gewässern
- Abwässern, Klärschlamm und Reststoffen
- Boden und Pflanzen bei nicht agrarisch genutzten Flächen.
Im Rahmen dieses Umweltüberwachungsprogramms werden zurzeit in Bayern jährlich rd. 7.000 Messdaten erhoben. Diese Messergebnisse veröffentlicht das LfU im Internet einschließlich der online Daten zur luftgetragenen Radioaktivität und der Umgebungsstrahlung aus den Messstationen des bayerischen Immissionsmessnetzes für Radioaktivität (IfR).
Integriertes Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS)
Zur Sammlung, Bearbeitung und Darstellung der aus den verschiedenen Radioaktivitätsüberwachungsprogrammen gewonnenen Daten hat der Bund Anfang 1994 das „Integrierte Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS)“ eingerichtet. An diese Zentralstelle werden auch die in Bayern gesammelten Daten zur Umweltradioaktivität vom zuständigen Landesamt für Umwelt weitergeleitet und auf diese Weise allgemein verfügbar gemacht. In dieses Datensystem speisen ein:
Die automatischen Messnetze des Bundes mit über 2000 ortsfesten Messstationen zur flächendeckenden Überwachung der radioaktiven Umgebungsstrahlung, rd. 40 Messlabors in den Ländern.
Die zusammengefassten Daten dienen als Grundlage für die Darstellung und Bewertung der jeweils aktuellen radiologischen Situation im Bundesgebiet. Bei einem Ereignisfall – der großräumigen Verfrachtung von Radioaktivität auf das Bundesgebiet – würde von den zuständigen Bundesbehörden ein sog. Intensivbetrieb dieses Überwachungssystems ausgelöst. Nach vorgegebenen Planungen würden in den betroffenen Regionen in relativ kurzen Zeitabständen repräsentative Umweltmedien beprobt und ausgewertet. Dabei steigt der Probenanfall gegenüber dem Normalbetrieb des Routinemessprogramms dramatisch an. Beispielsweise wäre in Bayern zu einem ungünstigen Zeitpunkt (z.B. während der Erntezeit) täglich mit weit über 1000 Proben zu rechnen. Auf diesen Ernstfall müssen sich die zuständigen Landesmessstellen - in Bayern beim Landesamt für Umwelt - organisatorisch und technisch vorbereiten.
Die Auswertung der so gewonnenen Daten im IMIS-System ermöglicht einen schnellen Überblick über die großflächige radiologische Belastungssituation. Darauf wiederum würden sich die Empfehlungen der zuständigen Bundesbehörden zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gründen.
Schutzmaßnahmen
Schutzmaßnahmen sollen im Ereignisfall in erster Linie eine Aufnahme von Radioaktivität über die Nahrungskette verhindern. Dies ist aufgrund von Verzehrsbeschränkungen bzw. Einschränkung der Nutzung landwirtschaftlicher Produkte in den betroffenen Gebieten relativ leicht und wirkungsvoll durchzuführen.
Bei erhöhtem Eintrag von Radioaktivität in die Umgebungsluft muss darüber hinaus auch die Radioaktivitätsbelastung besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen beschränkt werden. Sollte sich die Notwendigkeit solcher Maßnahmen ergeben, so würden in der Bundesrepublik aus weiträumig verteilten dezentralen Lagern Jodtabletten an Schwangere und Kinder in den besonders gefährdeten Gebieten ausgegeben, um eine Aufnahme von Radiojod in den Organismus zu unterbinden. In regelmäßigen Übungen werden alle bei diesen Entscheidungsprozessen erforderlichen Schritte von den betroffenen Organisationen durchgespielt.