Klassische Mutagenese und Genscheren im Vergleich
Klassische Verfahren der Mutagenese beruhen auf der Wirkung bestimmter Chemikalien oder Strahlung, wie zum Beispiel radioaktive oder UV-Strahlung. Diese erhöhen das Auftreten von Veränderungen im Erbgut. Anders als bei Genscheren passiert dies wie bei natürlich auftretenden Mutationen aber an zufälligen Stellen im Erbgut.
Klassische Mutagenesen bewirken zufällige Veränderungen im Erbgut, Genscheren gezielte
Bestimmte mutagene Chemikalien können sich in die DNA-Doppelstruktur einlagern oder sie verändern. Auch Strahlung kann das Erbgut schädigen. Bei der Reparatur oder der Vervielfältigung entsprechender Abschnitte kommt es dann vermehrt zu Fehlern. Dabei können sowohl Punkt- als auch Deletionsmutationen entstehen. Dadurch ändert sich der Bauplan für betroffene Eiweiße je nach Veränderung mehr oder weniger gravierend. Das nachfolgende Beispiel zeigt, wie man sich das vorstellen kann. Im Text wurden das dick-schwarz gefärbte S im ersten Wort ALS durch ein R ersetzt (Punktmutation) und das dick-schwarz gefärbte A im sechsten Wort TAT entfernt (Deletionsmutation).
Original: | ALS | ICH | BEI | EVA | WAR | TAT | SIE | MIR | GUT |
Verändert | ALR | ICH | BEI | EVA | WAR | TTS | IEM | IRG | UT |
Auch in der Natur entstehen derartige Veränderungen ohne den Einfluss des Menschen. Durch Chemikalien beziehungsweise radioaktive oder UV-Bestrahlung kann man diese Mutationsrate je nach Menge und Einwirkzeit um ein Vielfaches erhöhen. Zu hohe Mutationsraten sind jedoch schädlich für Organismen, da wichtige Gene betroffen sein können oder Krankheiten ausgelöst werden.
Bei der Züchtung von Pflanzen werden diese Verfahren schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts genutzt. Nahezu alle in Deutschland gebräuchlichen Braugerste- und Hartweizensorten gehen ursprünglich auf klassische Mutationszüchtung zurück.
Über Genscheren erzeugte Veränderungen sind im Gegensatz zu klassisch erzeugten zufälligen Mutationen genau bekannt und besitzen oft ein bereits bekanntes Vorbild in der Natur. Es gibt hier in der Regel neben der gewünschten Veränderung nur wenige weitere Mutationen. Klassische Mutagenese ist vom Gentechnikrecht ausgenommen, wohingegen Genscheren in Europa dem Gentechnikrecht unterliegen.
Auf welche Weise eine Mutation genau entstanden ist, kann man derzeit nicht sicher nachweisen
Mit aufwändigen Untersuchungen und vorhandenem Vergleichserbgut ist es denkbar, Hinweise auf die Herkunft einer Veränderung zu erhalten. Dazu muss aber sowohl das Erbgut des veränderten als auch des unveränderten Organismus bekannt sein. Findet man sehr viele weitere zufällige Veränderungen, könnte dies ein Hinweis auf klassische Mutagenese sein. Findet man wenige weitere Veränderungen an Stellen mit ähnlicher Basenfolge, könnte eine Genschere die Ursache sein. Findet man nichts von beidem, erscheint eine natürliche Mutation möglich. Auf den ersten Blick klingt das zwar machbar, birgt aber zahlreiche große Probleme:
- Das Erbgut vor der Veränderung muss bekannt sein.
- Seit der Veränderung darf nicht zu viel Zeit vergangen sein, da bei jeder Vermehrung neue Veränderungen entstehen und sich bei sexueller Vermehrung das Erbgut von Vater und Mutter vermischen.
- Die Techniken zum Nachweis sind aufwändig, zeitintensiv und teuer. Auch sie haben darüber hinaus Fehlerraten.
- Es könnten unterschiedliche Mutagenesen vermischt worden sein.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich Wissenschaftler derzeit nicht in der Lage sehen, die Herkunft einer Mutation über Nachweisverfahren sicher angeben zu können.
Weiterführende Informationen
- NMT - Wie eine Genschere funktioniert
- Anwendungsbeispiele von Genscheren
- Die rechtliche Situation bei der Nutzung von Genscheren