Aushändigung des Bundesverdienstkreuzes am 06.11.2019
Laudatio für Herrn Prof. Dr. Armin Reller
Professor Dr. Armin Reller begann 1971 sein Chemiestudium an der Universität Zürich und promovierte 1981. Im Jahr 1992 habilitierte er an der Universität Zürich. Darauf folgte bis 1999 eine Professur an der Universität Hamburg und anschließend eine Professur an der Universität Augsburg. Parallel engagierte er sich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Bereich Umwelt und Ressourcen und war einer der Pioniere, die sich mit der Entwicklung von "Ressourcenstrategien" auseinandergesetzt haben. Er wurde im Jahr 2000 Vorstandssprecher des im gleichen Jahr gegründeten Wissenschaftszentrums Umwelt der Universität Augsburg. Im Jahr 2010 übernahm er den im selben Jahr gegründeten Lehrstuhl für Ressourcenstrategie, den er bis 2019 innehatte. Darüber hinaus war Professor Reller einer der Gründer der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategien. Im Jahr 2013 erfolgte unter seiner Federführung die Konzeption des Forschungsverbundes "ForCYCLE". Zudem ist Professor Reller Mitglied in der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften sowie Sachverständiger in der Ressourcenkommission am Umweltbundesamt.
Herr Prof. Dr. Reller ist Autor und Co-Autor von weit über 300 Veröffentlichungen in international renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften und hat weit über 1.000 Vorträge auf Tagungen und bei Diskussionsveranstaltungen gehalten.
Herrn Prof. Rellers besonderes Verdienst im Bereich der Ressourcenstrategien ist das Konzept der Stoffgeschichte. Anders als in den klassischen Naturwissenschaften, nimmt er Stoffe in ihrem eigenen raumzeitlichen Gefüge war. Das heißt, er betrachtet Stoffe als etwas in der Zeit und in einem bestimmten räumlichen Umfeld Entstandenes. Damit gesteht er ihnen eine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu, also gewissermaßen eine Lebensgeschichte. Mit dieser lebensgeschichtlichen Perspektive werden die Stoffe individualisiert. Sie sind nun in ihrer spezifischen Stoff-Umwelt-Wechselwirkungskonstellation je gesondert zu betrachten. Während die Naturwissenschaften tendenziell eher abstrahieren, standardisieren und quantifizieren, betont Herr Prof. Dr. Reller gerade das Nicht-Messbare, das Qualitative. Mit diesem Gegenkonzept weist er auf das hin, was im naturwissenschaftlichen Denken – das er gleichwohl anerkennt – nicht so sehr beachtet wird, worauf wir jedoch in unserem lebensweltlichen Umgang mit den Stoffen wieder mehr achten sollten. Herrn Prof. Rellers Stoffgeschichten lenken den Blick auf die erdgeschichtliche Entstehung der Stoffe vor Jahrmillionen, auf ihre Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung mit all ihren sozialen und ökologischen Problemen in unserer Zeit. Und die Geschichten lassen die Stoffe auch nicht aus den Augen, wenn sie für uns Verbraucher schon nicht mehr sichtbar sind, wenn sie entsorgt sind, dabei aber in Luft, Wasser und Erdreich weiterwirken. Stoffgeschichten umfassen verschiedenste Perspektiven und fachliche Kompetenzen, sie vereinen natur- und geisteswissenschaftliche, soziale und kulturelle Sichtweisen und Geschichten. Mit diesem Ansatz ist es ihm gelungen, das Auseinanderdriften von Natur- und Geisteswissenschaften ein wenig aufzuhalten und die beiden Denkformen wieder einander anzunähern.
Diese Pionierarbeit und das herausragende Engagement von Herrn Prof. Dr. Reller werden nun anerkennend mit der Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt.