Tierwohlställe - Hinweise zu einer vereinfachten Vorgehensweise bei der Umsetzung von TA Luft Anhang 8 bei baurechtlich zu genehmigenden Tierwohlställen
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Inhalt der vereinfachten Vorgehensweise (lt. Ministerratsbeschluss vom 21.06.2022)
Die mit der Tierhaltung verbundenen Stickstoffeinträge können zu erheblichen Beeinträchtigungen von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung (= Natura2000-Gebiete) führen. Um unter den geplanten Tierwohlställen naturschutzfachlich unbedenkliche Fälle abschichten zu können, werden standardisierte Prüfkriterien für die Vollzugspraxis eingeführt.
Im Rahmen der vereinfachten Vorgehensweise kann das konkrete Stallbauvorhaben dahingehend geprüft werden, ob es einer der unter Ziffer III aufgeführten Fallkonstellationen entspricht.
Sofern dies zutrifft, ist keine weitere Prüfung im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG einschließlich der Vorlage einschlägiger Gutachten für dieses Stallbauvorhaben erforderlich.
Anwendungsbereich der vereinfachten Vorgehensweise
Die vereinfachte Vorgehensweise kommt ausschließlich für baurechtlich genehmigungsbedürftige Bauvorhaben für Schweine- und Rinderhaltungen, die dem Tierwohl dienen, zur Anwendung. Die Tierwohl-Kriterien sind in Anlage 1 näher ausgeführt.
Fallkonstellationen für die vereinfachte Vorgehensweise
Nachfolgend gilt bei der Bezugnahme auf Groflvieheinheiten (= GV) jeweils der GV-Schlüssel gemäß Richtlinie VDI 3894.
- A.) Ställe werden ohne Erhöhung des genehmigten Tierbestands (in GV) tierwohlgerecht an-/umgebaut oder
- B.) Ställe werden ohne Erhöhung des genehmigten Tierbestands (in GV) durch einen tierwohlgerechten Neubau auf dem Areal der Hofstelle ersetzt und ein Mindestabstand zwischen Auslauffläche und Natura 2000-Gebiet von 50 m wird eingehalten. Neubauten außerhalb der bisherigen Hofstelle, aber weiter vom Natura 2000-Gebiet entfernt, werden behandelt wie neue Ställe auf dem Areal der Hofstelle oder
- C.) Ställe werden tierwohlgerecht um- oder neu gebaut und die Erhöhung des genehmigten Tierbestands (in GV) entspricht einem maximal zusätzlichen Bagatellmassenstrom Ammoniakemission von 30 g/h (s. auch IV.) oder
- D.) Ställe werden tierwohlgerecht um- oder neugebaut und die Erhöhung des genehmigten Tierbestands (in GV) führt wegen des Abbaus der Tierhaltung im Umfeld nicht zu einer kritischen Gesamtbelastungssituation – maßgeblich für diese Betrachtung ist die Entwicklung der GV bezogen auf das jeweils betroffene Gemeindegebiet seit dem Jahr 2015 (Der Bezugszeitraum hängt von der Aktualität der Hintergrundbelastungsdaten Stickstoff des Umweltbundesamtes ab. Derzeit sind diese im Kartendienst „Vorbelastungsdaten Stickstoff“ für den Zeitraum 2013-2015 veröffentlicht - http://gis.uba.de/website/depo1/de/index.html. Mit der nächsten Aktualisierung ist die dort genannte nächstzurückliegende Jahreszahl zu verwenden.) (s. auch IV.) oder
- E.) Ställe werden tierwohlgerecht um- oder neugebaut und der anlagenbezogene Bagatellmassenstrom Ammoniakemission laut Anhang 1 TA Luft von 0,1 kg/h NH3 wird nicht überschritten sowie ein Mindestabstand zwischen Auslauffläche und Natura 2000-Gebiet von 100 m eingehalten oder
- F.) Rinderställe bis 250 GV bzw. Schweineställe, die 40 % der Mengenschwelle nach § 1 i. V. m. Anhang 1 der 4. BImSchV nicht ¸berschreiten, werden tierwohlgerecht um- oder neugebaut und der anlagenbezogene Bagatellmassenstrom Ammoniakemission laut Anhang 1 TA Luft von 0,1 kg/h NH3 wird überschritten, aber der doppelte Mindestabstand nach Anhang 1 TA Luft eingehalten oder
- G.) Rinderställe über 250 GV bzw. Schweineställe, die 40% der Mengenschwelle nach § 1 i. V. m. Anhang 1 der 4. BImSchV überschreiten, werden tierwohlgerecht um- oder neugebaut und der Mindestabstand gemäß Anlage 2 (entsprechend einer maximale Zusatzbelastung von 0,3 kg N/ha*a in Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung) wird eingehalten (s. auch IV.).
Die vereinfachte Vorgehensweise für baurechtlich zu genehmigende Tierwohlställe bietet für die meisten Standardfälle eine unkomplizierte Lösung. Für alle anderen Fälle sollen durch intensiven Austausch aller betroffenen Fachbehörden sachgerechte Lösungen im Sinne des Ministerratsbeschlusses gefunden werden.
Für die Fallkonstellationen c., d. und g. ist zusätzlich Folgendes zu beachten:
Zu C. Maximale zusätzliche Ammoniakemission von 30 g/h (= Bagatellmassenstrom) durch Kapazitätsausweitung bei tierwohlgerechtem Stallum- oder neubau:
Der Wert von 30 g/h entspricht unter Zuhilfenahme der Ammoniakemissionsfaktoren der TA Luft, Tabelle 11 (Angabe für Milchvieh in Laufstallhaltung) einer Erhöhung der Tierplatzzahl um rund 18 Tiere (= GV), vorbehaltlich zusätzlicher Emissionsminderungsmaßnahmen (z.B. bedarfsgerechte Fütterung, Kot-Harn-Trennung).
Zu D. Abbau der Tierhaltung im Umfeld des Stallbauvorhabens:
Es ist zu prüfen, ob das geplante Stallbauvorhaben im Zusammenwirken mit bereits eingetretenen Entlastungswirkungen aufgrund einer Reduzierung der Tierbestände seit 2015 (Der Bezugszeitraum hängt von der Aktualität der Hintergrundbelastungsdaten Stickstoff des Umweltbundesamtes ab. Derzeit sind diese im Kartendienst „Vorbelastungsdaten Stickstoff“ für den Zeitraum 2013-2015 veröffentlicht - http://gis.uba.de/website/depo1/de/index.html. Mit der nächsten Aktualisierung ist die dort genannte nächstzurückliegende Jahreszahl zu verwenden.) im engeren Umfeld (= Gemeindegebiet) aus fachlicher Sicht keine Zusatzbelastung darstellt, die als Projekt im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG einzuordnen wäre. Im Einzelfall kann der Abbau der Tierhaltung alternativ auch durch konkret benannte aufgegebene Tierhaltungen im näheren Umfeld des Stallbauvorhabens (Umkreis von max. 10 km Radius) durch den Antragsteller nachgewiesen werden. Dies wird in der Regel angenommen, wenn die Zahl der weggefallenen GV zur Zahl der durch das Stallbauvorhaben hinzukommenden GV im Verhältnis von mindestens 3:1 steht.
Die Verwendung dieses Kriteriums wird aus fachlicher Sicht für sachgerecht erachtet, da die Ammoniakemissionen aus Tierhaltungsanlagen grundsätzlich zu einem hohen Anteil in das direkte räumliche Umfeld verfrachtet werden. Stickstoffoxide werden dagegen deutlich weiter verfrachtet. Damit wird die lokale Gesamtbelastungssituation maßgeblich vom Tierbestand, der in den Ställen gehalten wird, bestimmt. Dauerhafte Änderungen der Tierbestände – gemessen in Großvieheinheiten (= GV) – wirken sich daher auch maßgeblich auf die Gesamtbelastungssituation aus.
Angesichts der derzeit noch sehr hohen Vorbelastungssituation in Deutschland bzw. Bayern und der begrenzten Möglichkeit, aus den veröffentlichten Vorbelastungswerten des Umweltbundesamtes (Kartendienst Stickstoffdeposition) die Vorbelastungssituation für den Standort im konkreten Einzelfall passend und aktuell genug beurteilen zu können, wird diese Fallkonstellation der vereinfachten Vorgehensweise vorerst als fachlich vertretbare Lösungsansatz gesehen.
Zu g. Abschneidekriterium im Sinne Anhang 8 TA Luft
Es ist bei Rinderhaltungsbetrieben größer 250 GV und Schweineställe, die 40 % der Mengenschwelle nach § 1 i. V. m. Anhang 1 der 4. BImSchV überschreiten, zu prüfen, ob die mit dem konkreten Stallbauvorhaben verbundene anlagebezogene Zusatzbelastung den im Anhang 8 TA Luft verankerten Abschneidewert von 0,3 kg N/ha*a nicht überschreitet. Hierfür bedarf es keiner Ausbreitungsberechnung, sondern der Überprüfung anhand der Abstandskurven in Anlage 2.
Die Abstandskurve für die Stickstoffdeposition für eine anlagenbezogene Zusatzbelastung von maximal 0,3 kg N/ha*a bildet die Funktion aus Ammoniakemission in t/Jahr des geplanten Stallbauvorhabens (Rechtswertachse) und Abstand in m zum Natura 2000-Gebiet (Hochwertachse) ab.
Anlage 1
Kriterien für Rinderhaltung
Tierwohlställe für Milchkühe
9 m2 nutzbare Stallfläche pro Kuh inkl. ganzjährig verfügbarem Auslauf (davon min. 6 m2 überdacht). Wenn kein Auslauf möglich ist, dann Außenklima-Bedingungen zumindest im überwiegenden Teil des Stalles und 7 m2 nutzbare Stallfläche pro Kuh.
Die nutzbare Stallfläche bezieht sich auf den gesamten von den Tieren nutzbaren Liege- und Aktivitätsbereich (ohne Futtertisch, Melkstand sowie sonstige nicht ganztägig nutzbare Flächen).
Ein Auslauf ist eine ganzjährig nutzbare Fläche im Freien (Außenklima), die nicht oder zum Teil überdacht sein kann, z. B. ein befestigter Laufhof oder integrierte Ausläufe bei mehrhäusigen Stallungen.
Bei Auslaufhaltung sollte jedes Tier innerhalb des Produktionszyklus Zugang zum Auslauf haben. Sonderbereiche im Stall, in denen sich die Tiere nur über einen kurzen Zeitraum aufhalten (z. B. Abkalbebuchten) müssen über keinen separaten Auslauf verfügen. Hierzu zählt auch die Gruppe der trockenstehenden Kühe. Für diese Gruppe müssen dann mind. 7 m2 nutzbare Stallfläche pro Tier zur Verfügung stehen.
Geringfügige Abweichungen bei der Mindestüberdachung sind zulässig, wenn vom zuständigen AELF bestätigt werden kann, dass es sich bei diesen Neu- oder Umbau um tierwohlgerechte Ställe handelt.
Tierwohlställe fürMastrinder
Außenklima-Bedingungen müssen zumindest im überwiegenden Teil des Stalls gegeben sein. Die Mindestvorgaben der Bayerischen Tierschutzleitlinie für die Haltung von Mastrindern und Mutterkühen sind einzuhalten.
Tierwohlställe für Kälber
Beim Neu- oder Umbau von reinen Kälberställen, muss dieser als Außenklimastall auf Stroh oder ähnlichem Material oder mit eingestreuten Liegeboxen (mind. 1 Liegebox/Tier) ausgeführt werden. Die Kälber müssen spätestens ab einem Alter von 5 Wochen in Gruppe gehalten werden. Für die durchschnittlich auf dem Betrieb verbleibende Anzahl an Kälbern sind ab einem Alter von 2 Wochen Gruppenhaltungsplätze vorzusehen. Die Vorgaben zur Gruppenhaltung gelten nicht, wenn in dem Betrieb jeweils nicht mehr als drei nach ihrem Alter oder ihrem Körpergewicht für das Halten in einer Gruppe geeignete Kälber vorhanden sind.
Allgemein: Definition Außenklimastall für Rinder
Stallklima entspricht in Bezug auf Temperatur und Luftfeuchte weitgehend Außenklima mit ausreichend Schutz vor Extremen bei Wind und Temperaturen.
Kriterien für Schweinehaltung
Maßgeblich sind die als Orientierung in den Vollzug gegebenen Kriterien der Vollzugshilfe B/L Ad- hoc AG „Tiergerechter Außenklimastall für Schweine“ (s. UMS vom 08.07.2022 Az. 75d-U8721.27- 2021/4-16).
d.h. im Einzelnen:
- Mastschweine 50-110 kg: 1,3 m2 uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche/Tier
- Ferkel 10-20kg: 0,35 m2 uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche/Tier
- Sauen (Deckzentrum): 5 m2 uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche/Tier
- Trächtige Sauen: 4 m2 uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche/Tier
- Abferkelstall: 8 m2 Bodenfläche
Die hier zugrunde gelegten Regelungen für Rinder und Schweine gelten bis ggf. weitere Präzisierungen oder gesetzliche Vorgaben erfolgen. Geringe Abweichungen von den angeführten Werten sind in begründeten Einzelfällen möglich.
Das örtlich zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) teilt der Kreisverwaltungsbehörde im Rahmen seiner Fachstellungnahme zum Bauvorhaben auf Anfrage mit, ob die Voraussetzungen für einen „Tierwohlstall“ im Sinne dieses Arbeitspapiers im konkreten Einzelfall vorliegen.
Anlage 2
Quelle: LAI/LANA (2019) Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Vorhaben nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (Stickstoffleitfaden BImSchG-Anlagen)