Stilllegung und Abbau kerntechnischer Anlagen in Bayern
Kerntechnische Anlagen werden nach dem Ende ihrer Betriebszeit in einem geordneten, behördlich kontrollierten Verfahren abgebaut. Da in Bayern schon mehrere Kernkraftwerke (KKW) und andere kerntechnische Anlagen komplett bis zur "grünen Wiese“ abgebaut worden sind, liegen sowohl bei den zuständigen Behörden, den hinzugezogenen Fachleuten und Sachverständigen als auch den Betreibern der Anlagen umfangreiche Erfahrungen und damit eine hohe Kompetenz beim Abbau derartiger Anlagen vor. So war der erfolgreiche Abbau des KKW Niederaichbach in der Nähe von Landshut bis zur grünen Wiese weltweit der erste seiner Art.
Im Zuge der bereits erfolgten Abbauprojekte wurde in Forschungszentren, Universitäten und der Industrie ein Stand der Abbautechnik mit einer Vielzahl ausgereifter und zuverlässiger Techniken entwickelt. Damit kann die anstehende Stilllegung und der Abbau aller weiteren bayerischen KKW sicher und in angemessener Zeit durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß ist von einem Zeitrahmen für den Abbau eines KKW von über 10 Jahren auszugehen.
Erforderliche Genehmigung
In jedem Fall bedarf die Stilllegung eines Kernkraftwerks einer atomrechtlichen Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG, wobei diese üblicherweise in mehreren schrittweisen Einzelgenehmigungen erfolgt. In den Genehmigungsverfahren ist von den Betreibern nachzuweisen, dass alle relevanten rechtlichen Anforderungen und technischen Vorgaben jederzeit eingehalten sind und damit keine relevanten Strahlenbelastungen für das Personal vor Ort und die umliegende Bevölkerung auftreten. Dabei gibt es eine Vielzahl zu beachtender Normen im Atomgesetz, der Strahlenschutzverordnung, der Atomrechtlichen Verfahrensordnung sowie in vielen weiteren kerntechnischen Regelungen, Richtlinien und Empfehlungen. Im Rahmen der ersten Stilllegungsgenehmigung ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung und einem öffentlichen Erörterungstermin durchzuführen. Erst nach Erteilung der ersten Stilllegungsgenehmigung geht die Anlage von der Nachbetriebsphase, in der noch die Betriebsgenehmigung gilt, in die Stilllegungsphase über.
Sicherheit
Die Sicherheit des gesamten Stilllegungsverfahren wird durch eine kontinuierliche Begleitung und Überwachung des Abbauprozesses durch die Aufsichtsbehörde und die hinzugezogenen externen Sachverständigen gewährleistet. Die Abbauprozesse werden so gestaltet, dass zum einen keine relevanten Strahlenexpositionen für das Personal vor Ort und die umliegende Bevölkerung auftreten und dass zum anderen eine möglichst geringe Menge an radioaktiven Abfällen anfällt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nur ein kleiner Teil des gesamten Materials der Anlage mit künstlichen radioaktiven Stoffen vermengt ist und dass davon wiederum der allergrößte Teil durch verschiedene erprobte technische Verfahren gereinigt werden kann. Daher ist der Anteil radioaktiver Abfälle an den Gesamtmassen deutlich kleiner als 5%.
Die hochradioaktiven Abfälle, darunter versteht man die abgebrannten Brennelemente, werden in den Zwischenlagern, die an allen Kernkraftwerksstandorten in Bayern errichtet sind, gelagert, bis sie in einigen Jahrzehnten in das sich derzeitig noch im Suchverfahren befindliche Endlager für hochradioaktive Abfälle verbracht werden können. Auch die verbliebenen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle (von der Masse her weit über 90 % der radioaktiven Abfälle) werden in Zwischenlagern aufbewahrt, bis sie in das bereits rechtskräftig genehmigte Endlager Schacht Konrad eingelagert werden können. Das Endlager Schacht Konrad wird nach derzeitigen Planungen ab dem Jahr 2027 zur Verfügung stehen.
Sämtliche im Zuge des Kraftwerkrückbaus und des Stilllegungsverfahrens anfallende Materialien werden auf ihre Aktivitätswerte hin untersucht. Dabei treten, je nach Einsatzbereich innerhalb des Kraftwerks, unterschiedliche Aktivitätsgehalte und Nuklidarten auf. Der überwiegende Teil an Materialien, wie beispielsweise Arbeitsgeräte, Gebäudeteile aber auch tägliche Verbrauchsmaterialien sind dabei während ihres Gebrauchs nicht oder nur in sehr geringem Maße mit künstlichen Nukliden in Kontakt getreten. Die Strahlenschutzverordnung regelt, in Abhängigkeit der ermittelten Aktivitätsgehalte und des jeweiligen Isotops, wie mit dem Material zu verfahren ist. Der Großteil der bei der Stilllegung anfallenden Materialien weist erwartungsgemäß eine nur sehr geringe Aktivität auf, so dass sogenannte Freigabewerte unterschritten werden. Solche freigemessenen Materialien können dann, wenn die ermittelten Aktivitätswerte durch eine behördliche Kontrolle bestätigt wurden, unter Beachtung der konventionellen abfallrechtlichen Vorschriften weiterverwendet oder verwertet werden.
Die Strahlenexposition, die durch Materialen unterhalb der Freigabewerte zusätzlich beim Menschen hervorgerufenen werden kann, liegt dabei weit unterhalb dessen, was durch allgegenwärtige natürliche Zerfallsprozesse auf den menschlichen Organismus in der Umwelt einwirkt.
Als Grundlage hierfür wird das sowohl durch die internationale Strahlenschutzkommission als auch durch die Europäische Kommission bestätigte 10-Mikrosievert-Konzept herangezogen. Dies besagt, dass eine zusätzliche Strahlenexposition dann als vernachlässigbar betrachtet werden kann, wenn sie innerhalb der Schwankungsbreite der durch natürliche Zerfallsprozesse hervorgerufenen Exposition liegt und wenn sie gegenüber der Summe aus natürlicher und künstlicher Strahlenexposition sehr klein ist.
Als Veranschaulichung ist in der folgenden Abbildung die durchschnittliche Jahresexposition pro Person in Deutschland dargestellt. 1 Millisievert (mSv) entspricht 1000 Mikrosievert.
Diese Darstellung zeigt, dass bereits die Summe der durch natürliche Strahlenquellen hervorgerufenen Exposition von 2,1 Millisievert pro Jahr, mehr als 200 mal größer ist, als das herangezogene Dosiskriterium von 10 Mikrosievert. Vergleicht man diesen Wert mit der Gesamtsumme aus natürlicher und künstlicher Exposition, die ein Erwachsener im Durchschnitt jährlich in Deutschland erfährt, so verdoppelt sich dieser Faktor nahezu noch einmal.
Abhängig von Wohnort, Ess- aber auch Reisegewohnheiten liegen die durch natürliche Strahlenquellen auf den menschlichen Organismus einwirkenden Expositionen ober- oder unterhalb der genannten Durchschnittswerte. Durch einen Nordatlantikflug erfährt der menschliche Körper beispielsweise eine zusätzliche Exposition von ca. 100 Mikrosievert (BMUB 2001). Der als Grundlage für das 10-Mikrosievert-Konzept herangezogene Dosiswert stellt demgegenüber einen nur sehr geringen Beitrag dar.