Abgebaute Kernanlagen in Bayern
Versuchsatomkraftwerk Kahl (VAK)
Das VAK wurde von der Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH (Anteile: RWE 80 %, Bayernwerk 20 %) nördlich von Aschaffenburg errichtet und erreichte nach einer Bauzeit von 29 Monaten am 13. November 1960 seine erste selbsterhaltende Kettenreaktion (Kritikalität). Das VAK, ein Siedewasserreaktor mit 16 MWe Leistung, war das erste KKW zur Stromerzeugung in Deutschland.
- Am 17. Juni 1961 speiste es den ersten in einem deutschen KKW erzeugten Strom in das Stromnetz ein. Zweck des KKW war, Erfahrungen zur Entwicklung späterer größerer KKW zu sammeln.
- Am 25. November 1985 wurde die Anlage planmäßig nach über 25 Jahren weitgehend störungsfreiem Betrieb abgeschaltet, da alle vorgesehenen wissenschaftlichen und betriebstechnischen Versuche abgeschlossen waren. Auch der Abbau des VAK wurde von Anfang an als Versuchsvorhaben konzipiert, um möglichst viele Erfahrungen für den späteren Abbau größerer KKW mit einer jahrzehntelangen Laufzeit zu gewinnen.
- Die erste Teilstilllegungsgenehmigung wurde mit Bescheid vom 05.05.1988 erteilt.
- Die Brennelemente wurden bis zum Jahr 1989 aus der Anlage entfernt und zur Wiederaufarbeitung nach Karlsruhe (WAK) verbracht.
- Die Entlassung der Gebäude und des Anlagengeländes aus der atomrechtlichen Überwachung erfolgte am 17.05.2010.
- Die nachfolgenden Rückbautätigkeiten im Rahmen des konventionellen Gesamtabrisses wurden am 24.09.2010 beendet und die „grüne Wiese“ wiederhergestellt.
Heißdampfreaktor Großwelzheim (HDR)
Der Heißdampfreaktor Großwelzheim mit 25 MWe Leistung wurde von 1965 bis 1969 vom Karlsruher Forschungszentrum nördlich von Aschaffenburg errichtet und diente als Prototyp und Versuchsanlage der Entwicklung dieser Reaktorbaulinie. Der Reaktor erreichte am 14.10.1969 seine erste Kritikalität. Am 02.08.1970 ging der Reaktor ans Netz.
- Nach 1,5 Jahren wurde der Reaktor am 20.4.1971 aufgrund eines Schadens an den Hüllrohren abgeschaltet. Die abgebrannten Brennelemente wurden in Karlsruhe (WAK) wiederaufgearbeitet. Das Reaktorgebäude und die eingebauten Systeme wurden von 1974 bis 1991 für die Durchführung nichtnuklearer Untersuchungen des Verhaltens von Kernkraftwerksanlagen bei schweren Störfällen (u.a. Erdbeben) genutzt.
- Am 29.12.1994 erging die Stilllegungsgenehmigung für Reaktordruckbehälter und Kühlkreisläufe. Die Anlage wurde von 1995 – 1998 termingereicht und unter Einhaltung des Budgets vollständig zurückgebaut.
- Mitte Mai 1998 wurde die Anlage aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes entlassen. Die restlichen Abbauarbeiten hin zur grünen Wiese wurden bis Mitte Oktober 1998 abgeschlossen.
Kernkraftwerk Niederaichbach (KKN)
Das Kernkraftwerk Niederaichbach, ein Prototypkernkraftwerk mit 100 MWe Leistung netto, wurde von 1966 bis 1971 von der Bayernwerk AG in der Nähe von Landshut am heutigen Standort der KKW Isar 1 und 2 errichtet und zeichnete sich durch den Einsatz von Natururan und einen schwerwassermoderierten Druckröhrenreaktor mit CO2-Gaskühlung aus.
- Die Betriebsgenehmigung wurde am 11.12.1972 erteilt. Am 17.12.1972 erreichte der Reaktor seine erste selbsterhaltende Kettenreaktion (Kritikalität). Das Kernkraftwerk war insgesamt 18,3 Volllasttage in Betrieb. Technische Schwierigkeiten sowie die sich zu dieser Zeit durchsetztende Präferenz für den Bau von Leichtwasserreaktoren trugen zur Entscheidung des Eigentümers bei, den Reaktor endgültig abzuschalten. Die Entwicklung dieser Reaktorlinie wurde damit eingestellt. Mit der Abschaltung am 31.07.1974 war die Stilllegung des KKN beschlossen.
- Am 21.10.1975 wurde die Genehmigung zur Überführung der Anlage in den sicheren Einschluss und am 20.10.1981 die Genehmigung zum „sicheren Einschluss“ erteilt. Die Brennelemente wurden zum CEA (Commissariat à l’Energie Atomique et aux Energies Alternatives) verbracht.
- Der vollständige Abbau der Anlage wurde am 06.06.1986 genehmigt.
- Am 17.08.1995 wurde der Abbau des KKN beendet und das Kernkraftwerk aus dem Atomgesetz entlassen. Dies war das erste Kernkraftwerk der Welt mit nennenswerter Leistung, dessen Stilllegung durch Übergabe des Standorts als "grüne Wiese“ beendet wurde. Damit konnte in Deutschland erstmals die Machbarkeit sowohl der technischen Durchführung einer vollständigen Beseitigung als auch des zugehörigen atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens demonstriert werden.