Flutpolder Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof
Flutpolder sind eingedeichte Gebiete mit geringem Schadenspotenzial, die bei sehr großen Hochwasserereignissen als Rückhalteraum dienen. In Bayern sollen Flutpolder eingesetzt werden, um die Sicherheit unterhalb liegender Hochwasserschutzanlagen bei Abflüssen zu erhöhen, die deren Bemessungshochwasser überschreiten.
In der Regel werden die meist land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen im Flutpolder geflutet, um die Gefahr eines Überlaufens oder unkontrollierten Versagens von Hochwasserschutzanlagen wie zum Beispiel Deichen im Unterlauf des Gewässers zu vermindern. Die durch die Flutung im Flutpolder entstehenden Schäden werden vollumfänglich ersetzt. Bei gesteuerten Flutpoldern kann die Flutung gezielt geschehen, kurz bevor die Hochwasserwelle ihre Spitze erreicht. Auf diese Weise lässt sich der Hochwasserscheitel effektiv reduzieren, oder zumindest Zeit für Evakuierungen und die Sicherung mobiler Werte gewinnen. Bei sinkenden Pegeln wird die zurückgehaltene Wassermenge dann wieder in den Fluss abgegeben.
Gesteuerte Flutpolder können den Ausschlag geben, wenn es darauf ankommt, die Wasserstände um die entscheidenden Zentimeter zu reduzieren.
Die bayerische Staatsregierung verfolgt das Ziel eines zügigen Ausbaus des bayernweiten Hochwasserschutzes. Insgesamt sollen im Rahmen des Bayerischen Gewässer-Aktionsprogramms 2030 weitere 150.000 Menschen gezielt vor einem hundertjährlichen Hochwasserereignis (HQ100) geschützt werden. Gesteuerte Flutpolder sollen darüber hinaus diesen Grundschutz ergänzen und nur bei sehr großen Hochwasserereignissen zum Einsatz kommen. Flutpolder sind Teil der bayerischen Klimaanpassungsstrategie.
Mit Ministerratsbeschluss vom 27.07.2021 wurde das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz beauftragt, das Flutpolderprogramm an der Donau fortzuführen.
Im Rahmen des Flutpolderprogramms wurden u.a. folgende Aspekte untersucht:
• Weitere Untersuchungen zu Rückhaltemöglichkeiten an den großen Seitenzuflüssen der Donau
• Ergänzende Überprüfung der Wirkung der Flutpolder
• Optimiertes Staustufenmanagement
• Gutachten zur Grundwassersituation
Diese Untersuchungen sind nun abgeschlossen und kommen zusammenfassend zu folgenden Ergebnissen:
Weitere Untersuchungen zu Rückhaltemöglichkeiten an den großen Seitenzuflüssen
Ziel dieser Untersuchungen war es, zu prüfen, ob die Wirkung der Flutpolder Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof auch wirkungsgleich mit einem Hochwasserrückhalt an den maßgeblichen Seitenzuflüssen der Donau erreicht werden könnte.
Dazu wurden potenziell noch verfügbare Standorte für Hochwasserrückhaltebecken in den Einzugsgebieten von Lech, Naab und Regen identifiziert und daraus verschiedene Beckenkombinationen modellhaft berechnet.
Im Lecheinzugsgebiet wurden so bis zu sechs Hochwasserrückhaltebecken, im Naab-Regen-Gebiet bis zu zwölf Rückhaltestandorte in einer Kombination gleichzeitig berechnet. Die Wirkung dieser Beckenkombinationen auf den Hochwasserabfluss in der Donau wurde für jeweils zehn repräsentative Hochwasserereignisse simuliert und mit der Wirkung der Flutpolder Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof verglichen.
Die untersuchten Varianten mit Hochwasserrückhaltebecken in den Einzugsgebieten von Lech, Naab und Regen erweisen sich im Vergleich zu den drei Flutpoldern an der Donau als deutlich weniger wirksam.
Wird im Einzugsgebiet das gleiche Rückhaltevolumen angeordnet, wie es in den drei Flutpoldern an der Donau geplant ist, kann der Hochwasserscheitel an der Donau im Mittel weniger als halb so weit reduziert werden wie mit den drei gesteuerten Flutpoldern.
Auch wenn man an den Seitengewässern das Rückhaltevolumen verdoppeln würde, können im Mittel nur rund 70 % der Flutpolderwirkung erreicht werden.
Ergänzende Überprüfung der Wirkung der Flutpolder
Anhand von zwölf zusätzlichen, z. T. großräumigen Hochwasserereignissen wurde in einem Rechenmodell die Wirkung der an der Donau geplanten Flutpolder untersucht.
Bei sämtlichen Ereignissen konnten die Flutpolder zusammen mit den weiteren Rückhalteräumen im Bereich Donauwörth und Deggendorf dazu beitragen, Überlastfälle deutlich abzuschwächen bzw. zu verhindern.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Wirkung der Flutpolder einen großen Anteil an der Abflussreduktion in der Donau bei sehr großen Hochwasserereignissen ausmacht.
Ohne den Flutpolder Bertoldsheim würde am Pegel Ingolstadt die Wirkung der Flutpolderkette um bis zu 50 % und am Pegel Kelheim um bis zu rd. 25 % niedriger ausfallen. Bei großräumigen Überlastfällen, die mehrere Donauabschnitte umfassen, ist dieser Wirkungsverlust auch noch im Donauabschnitt III (Naab-/Regen- bis Isarmündung) spürbar.
Die Flutpolder Eltheim und Wörthhof spielen eine besonders wichtige Rolle im Donauabschnitt III (Naab-/Regen- bis Isarmündung), da sie über 2/3 des in diesem Abschnitt geplanten Rückhaltevolumens ausmachen und mit ihrer Lage am Anfang des Donauabschnittes III eine entsprechend große Donaustrecke entlasten können.
Ein Verzicht auf die drei Flutpolder Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof würde eine deutliche Reduzierung der Flutpolderwirkung bedeuten und letztlich das gesamte Flutpolderprogramm an der Donau in Frage stellen.
Zusätzlich wurde noch der Wirkungsverlauf des Flutpolderprogramms an der Donau auf den Abschnitt Straubing-Vilshofen im Zusammenspiel mit den im Rahmen des sanften Donauausbaus geplanten und zum Teil bereits in baulicher Umsetzung befindlichen Rückhalteräumen überprüft.
Durch die zusätzlichen Berechnungen anhand von neun Hochwasserereignissen konnte die Flutpolderwirkung auf die Kappung des Abflussscheitels bei den meisten Ereignissen auch deutlich über die Isarmündung bei Deggendorf hinaus nachgewiesen werden.
Bei den untersuchten großräumigen Überlastfallereignissen lassen sich mit allen Flutpoldern die maximalen Wasserstände am Pegel Straubing um bis zu 39 cm und am Pegel Deggendorf um bis zu 24 cm absenken.
Optimiertes Staustufenmanagement
Als Ergänzung zu den bislang vorliegenden Untersuchungen zu einem verbesserten Staustufenmanagement wurde das Potenzial eines vorgeschalteten Einsatzes der zehn Staustufen der Staustufenkette im Donauabschnitt I (Iller bis Lechmündung) auf einen prägenden seitlichen Zufluss des Lechs untersucht.
In zwei simulierten Überlastfällen erzielte die vorgeschaltete Staustufensteuerung an den Pegeln Ingolstadt mit 0,5 bis 1,8 % (Reduzierung um 43 m³/s auf 2313 m³/s) und Kelheim mit 0,6 bzw. 1,3 % (Reduzierung um 29 m³/s auf 2248 m³/s) nur eine geringe Abflussreduktion. Die Wirkung ist somit deutlich niedriger als die eines einzelnen Flutpolders im Donauabschnitt II (Lech- bis Naab-/Regenmündung) wie z. B. Bertoldsheim.
Zusätzlich wurde untersucht, inwiefern eine weitgehende Entleerung der Stauhaltungen Geisling und Straubing im Donauabschnitt III (Naab-/Regen- bis Isarmündung) einen Einfluss auf den Hochwasserverlauf hat.
Hier zeigte sich, dass wegen der mit dem zunehmenden Abfluss einsetzenden Füllung des Stauraumes der ansteigende Ast der Hochwasserwelle um rd. 2 Stunden verzögert wird. Im Scheitelbereich größerer Hochwasser kann lediglich an der Staustufe Geisling noch ein Teil der Vorabsenkung gehalten werden. Dieses Restvolumen, das für eine gezielte Scheitelkappung verwendet werden könnte, entspricht aber nur einem Bruchteil des Volumens, das mit den Flutpoldern Eltheim und Wörthhof zur Verfügung stehen würde.
Generell kann durch alle bisherigen Untersuchungen bestätigt werden, dass das Stauraummanagement im Hochwasserfall eine sinnvolle additive Maßnahme zu Rückhaltebecken und Flutpoldern darstellt.
Beim Stauraummanagement gilt allerdings die Einschränkung, dass die Verfügbarkeit nicht immer vollumfänglich gegeben ist und die Wirkung bei sehr hohen Abflüssen (HQ 100 und darüber hinaus) deutlich abnimmt.
Gutachten zur Grundwassersituation
Um die Auswirkungen der geplanten Flutpolder an der Donau auf das Grundwasser zu ermitteln, wurden an allen Standorten numerische Grundwassermodelle aufgestellt.
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Realisierung der Flutpolder mit entsprechenden Schutzmaßnahmen ohne negative Veränderungen der Grundwassersituation für die Anlieger möglich ist.
Resümee
Die Untersuchungen zeigen, dass dem geplanten Rückhaltevolumen der gesteuerten Flutpolder eine entscheidende Rolle zukommt, um extreme Hochwasserereignisse an der Donau wirksam kappen zu können. Damit leistet das Flutpolderprogramm einen erheblichen Beitrag zur Sicherheit von Mensch und Infrastruktur im Rahmen der Anpassungsstrategie gegen die Folgen des Klimawandels.
Mit einer Kette von Flutpoldern entlang der Donau kann der Schutz von über 120.000 Menschen bei extremen Hochwasserereignissen verbessert werden. Das Schadenspotential beträgt bei einem solchen Ereignis rund 9,2 Mrd. €.