Widerruf der Systemfeststellung gemäß § 6 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 5 Verpackungsverordnung (VerpackV)
Gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1, 4 der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998, zuletzt geändert durch Artikel 11 Absatz 10 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745), erlässt das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) den folgenden sofort vollziehbaren
Bescheid:
I.
Die mit Bescheid vom 05. August 2014 (Az. 72e-U8705.4-2014/51-14) getroffene Feststellung, dass die Europäische LizenzierungsSysteme GmbH (nachfolgend: Systembetreiberin) im Gebiet des Freistaats Bayern ein System eingerichtet hat, das die regelmäßige Erfassung gebrauchter, restentleerter Verkaufsverpackungen aus Glas, Weißblech, Aluminium, Kunststoff, Papier, Pappe und Kartons sowie deren Verbünde beim privaten Endverbraucher oder in der Nähe des privaten Endverbrauchers flächendeckend gewährleistet, wird gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 und Satz 4 VerpackV mit sofortiger Wirkung widerrufen.
II.
Dieser Bescheid ist sofort vollziehbar.
III.
Die Kosten des Verfahrens trägt die ELS Europäische LizenzierungsSysteme GmbH. Die Höhe der Kosten wird in einer gesonderten Entscheidung geregelt.
IV.
Der verfügende Teil wird gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 der VerpackV öffentlich bekannt gegeben.
V.
Dieser Bescheid mit Begründung kann für die Dauer eines Monats nach Bekanntgabe im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Rosenkavalierpl. 2, 81925 München, Montag bis Freitag in der Zeit von 09.00 bis 18.00 Uhr an der Pforte eingesehen werden. Der Bekanntgabetext mit Begründung ist auch auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (https://www.stmuv.bayern.de) einsehbar.
Begründung:
A. Sachverhalt
Mit Bescheid vom 05. August 2014 (Az. 72e-U8705.4-2014/51-14) stellte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auf Antrag der Systembetreiberin fest, dass diese im Gebiet des Freistaats Bayern ein System eingerichtet hat, das die regelmäßige Erfassung gebrauchter Verkaufsverpackungen aus Glas, Weißblech, Aluminium, Kunststoff, Papier, Pappe und Karton sowie deren Verbunde beim privaten Endverbraucher oder in der Nähe des privaten Endverbrauchers flächendeckend gewährleistet.
Die Systembetreiberin hat am 15. März 2018 Antrag auf Sanierung in Eigenverwaltung gestellt. Das zuständige Amtsgericht Bonn ordnete daraufhin am 19. März 2018 die vorläufige Sachwaltung über das Vermögen an.
Ab dem 19. März 2018 stellte die Systembetreiberin die Zahlung der sog. Nebenentgelte nach § 6 Abs. 4 Satz 8 VerpackV ein.
Am 1. Juni 2018 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem kein Investor gefunden werden konnte und der Verkauf des Unternehmens endgültig gescheitert ist. Seitens der Kanzlei GÖRG Rechtsanwälte -bevollmächtigte Vertreter der rechtlichen Interessen der Systembetreiberin- wurde dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit Schreiben vom 01. Juni 2018 (Az. : 5611/20385-18) mitgeteilt, dass der Geschäftsbetrieb der Systembetreiberin stillgelegt wurde und die anderen dualen Systeme eine Vereinbarung getroffen haben, ab dem Zeitpunkt der Stilllegung die Verantwortung für die Erfassung, Sortierung und Verwertung der ab dem Zeitpunkt der Stilllegung erfassten Mengen zu übernehmen; des Weiteren wurde die Übernahme der ab dem Übernahmezeitpunkt anfallenden Neben- und Mitbenutzungsentgelte erklärt.
B. Entscheidungsgründe
1) Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz ist als oberste für die Abfallwirtschaft zuständige Landesbehörde für den Widerruf der Feststellung eines Systems nach §§ 6 Abs. 6 Satz 1 und 4, Abs. 5 Satz 1 VerpackV, Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG zuständig.
2) Gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 VerpackV kann die zuständige Behörde die Feststellung ganz oder teilweise widerrufen, wenn sie feststellt, dass die in § 6 Abs. 3 VerpackV genannten Anforderungen nicht eingehalten werden. Gemäß § 6 Abs. 6 Satz 4 VerpackV kann die Feststellung ferner widerrufen werden, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass der Betrieb eingestellt ist. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV hat ein System flächendeckend im Einzugsgebiet des verpflichteten Vertreibers unentgeltlich die regelmäßige Abholung gebrauchter, resteentleerter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise zu gewährleisten und die in Anhang I genannten Anforderungen zu erfüllen.
3) Mit der endgültigen Einstellung des Betriebs insgesamt verbleibt der zuständigen Behörde in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens nur die Möglichkeit, die Feststellung insgesamt zu widerrufen. Die Behörde hat dafür Sorge zu tragen, dass die Erfassung und Verwertung von Verkaufsverpackungen sichergestellt ist. Dieser Aufgabe wird sie vorliegend nur dadurch gerecht, dass sie der stillgelegten Systembetreiberin die Feststellung insgesamt entzieht. Ein Teilwiderruf nach § 6 Abs. 6 Satz 3 VerpackV scheidet aus.
4) Die Systembetreiberin scheidet mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch aus der Gemeinsamen Stelle entsprechend § 6 Absatz 7 Satz 1 VerpackV aus, was zur Folge hat, dass ein Mengenclearing nicht mehr möglich ist. Damit wird eine Beteiligung an einem flächendeckenden System zur Entsorgung von Verkaufsverpackungen rechtlich und tatsächlich unmöglich.
5) Mit Schreiben vom 09. April 2018 wurde die Systembetreiberin zur Stellungnahme bezüglich der Insolvenz in Eigenverwaltung aufgefordert. Hierbei hatte sie Gelegenheit, sich ausführlich zu der bevorstehenden Insolvenz zu äußern. Eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG erfolgte mündlich am 08.06.2018. Darüber hinaus ist eine Anhörung bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO jedenfalls in gravierenden Fällen wie dem vorliegenden nicht erforderlich, zumal die Funktionsfähigkeit des gesamten dualen Systems gefährdet ist. Auf Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. BayVwVfG wird ergänzend hingewiesen. Dementsprechend kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erscheint.
6) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruht auf § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Danach kann die sofortige Vollziehung in den Fällen angeordnet werden, in denen sie im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt, wobei ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse zu begründen ist.
Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erfassung und Verwertung von Verkaufsverpackungen – jedenfalls was den Marktanteil von ELS anbetrifft- nicht mehr sichergestellt ist. Dies kann auch Gebiete betreffen, in denen ELS kein Systemführer war. Daher liegt es im besonderen öffentlichen Interesse, die regelmäßige Abholung von Verkaufsverpackungen zu gewährleisten und mit den Kosten nicht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder die Allgemeinheit zu belasten.
Zudem dient der sofortige Widerruf der notwendigen zeitnahen Herstellung der Rechtssicherheit. Beteiligungspflichtige Hersteller und Importeure müssen sich an einem betriebenen dualen System beteiligen. Sowohl für die bisherigen Lizenzierungskunden der Systembetreiberin als auch für die übrigen Dualen Systeme ist es von erheblicher Bedeutung, dass die faktische Einstellung der Systembetreiberin auch rechtlich wirksam wird, um die nötige Neuaufteilung der Markt- und Finanzierungsanteile möglichst schnell durchführen zu können. Werden Leichtverpackungen nicht abgeholt bzw. Container nicht geleert, so steigt das Risiko unkontrollierter Müllablagerungen im öffentlichen Raum. Ebenso stellen eventuelle Ansammlungen von Verkaufsverpackungen eine Verletzungsgefahr dar und können ein Anziehungspunkt für Ungeziefer bilden. Eine zügige Erfassung und Verwertung ist somit zwingend zu gewährleisten, weswegen das Vollzugsinteresse der öffentlichen Hand ein eventuelles Suspensivinteresse der Systembetreiberin deutlich überwiegt.
7) Der Widerruf der Feststellung ist gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VerpackV i.V.m. Art. 41 Abs. 3 und 4 BayVwVfG öffentlich bekannt zu geben und vom Zeitpunkt der Bekanntgabe an wirksam. Die öffentliche Bekanntgabe wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekanntgemacht wird. Ergänzend hierzu wird der Bescheid einschließlich Begründung im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Einsichtnahme ausgelegt. Zudem kann der Bekanntgabetext auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (https://www.stmuv.bayern.de) eingesehen werden.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem
Bayerischen Verwaltungsgericht München
Postfachanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene Bescheid soll in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:
Die Klageerhebung in elektronischer Form (z.B. durch E-Mail) ist unzulässig.
Kraft Bundesrechts ist in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten seit 1. Juli 2004 grundsätzlich ein Gebührenvorschuss zu entrichten.
Dr. Monika Kratzer
Ministerialdirigentin