ZEITBEDARF DER ENDLAGERSUCHE
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Abfall nach dem Standortauswahlgesetz (StandAG) ist ein zeitaufwendiges Verfahren. Nach dem 2017 verabschiedeten StandAG war angestrebt, innerhalb von lediglich 14 Jahren bis zum Jahr 2031 den Standort für ein Endlager zu finden. Inzwischen steht fest, dass die Endlagersuche deutlich länger dauern wird.
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat im Dezember 2022 mit dem Dokument „Zeitliche Betrachtung des Standortauswahlverfahrens aus Sicht der BGE“ einen Rahmenterminplan für den Schritt 2 der Phase I und Abschätzungen für die Phasen II und III vorgelegt. Diese Abschätzungen gehen davon aus, dass ein Standort für hochradioaktive Abfälle erst im Jahr 2046 oder sogar im Jahr 2068 gefunden wird. Für die Abschätzung der Zeitbedarfe für die Phasen II und III wurde seitens der BGE mit Annahmen gearbeitet, da wesentliche Grundlagen hierfür noch nicht bekannt sind (z.B. Anzahl und Größe der Standortregionen; regionale Gegebenheiten, Erkundungsumfang und -techniken). Entsprechend sind die Abschätzungen für die Phasen II und III nicht bindend und sollen regelmäßig (jährlich) überprüft und aktualisiert werden.
Bei der von der BGE vorgelegten zeitlichen Abschätzung des Endlagersuchverfahrens sind die aufsichtliche Überprüfung durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) sowie für die Gesetzgebungsverfahren nach §§ 17, 19, 20 StandAG am Ende der jeweiligen Phase mit jeweils einem Jahr einbezogen worden. Das BASE hat bereits angekündigt, zumindest in Phase I für die aufsichtliche Überprüfung des Standortregionenvorschlags und die Einrichtung der Regionalkonferenzen fünf bis sechs Jahre zu benötigen (Stellungnahme des BASE zur ersten zeitlichen Betrachtung des Standortauswahlverfahrens der BGE). Hinzu kommen darüber hinaus eventuelle Verzögerungen aufgrund von Klageverfahren am Ende der Phasen II und III. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wäre mit einer Standortentscheidung erst weit nach 2068 zu rechnen. Die (geschätzten) Zeitbedarfe der einzelnen Phasen sind in der nachstehenden Tabelle aufgezeigt.
Tabelle: Abschätzung der Zeitbedarfe für die drei Phasen der Endlagersuche auf Basis der Abschätzung der BGE und der entsprechenden Stellungnahme des BASE. Für Phase II wird das Szenario der BGE zu Grunde gelegt bei dem 10 Standortregionen erkundet werden, für Phase III das Szenario mit zwei zu erkundenten Standorten. Die angegebenen Zeit-bedarfe des BASE sowie die Dauer der Gesetzgebungsverfahren in den Phasen II und III sind vom StMUV aus der Ab-schätzung für Phase I übertragen worden. (üE – übertägige Erkundung, uE – untertägige Erkundung)
Die Genehmigung und der Bau des Endlagers werden nach der Standortentscheidung noch weitere Jahrzehnte benötigen. Ein betriebsfähiges Endlager wäre damit in Deutschland, erst im 22. Jahrhundert zu erwarten.
Der hohe Zeitbedarf für die Endlagersuche hat weitreichende Konsequenzen. So müssen die Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle sehr viel länger betrieben werden als ursprünglich geplant. Zudem fallen die aktuellen Teilgebiete (in Bayern 2/3 der Landesfläche) unter die sogenannte Standortsicherung nach § 21 StandAG wodurch eine alternative Nutzung des geologischen Untergrundes z.B. für Geothermie-Vorhaben ggf. erschwert bzw. verhindert wird. Nicht zuletzt steht ein Endlagersuchverfahren, bei dem ein Endlager erst im nächsten Jahrhundert zur Verfügung steht, im Widerspruch zu § 1 des StandAG, der explizit vorsieht „unzumutbare Lasten und Verpflichtungen für zukünftige Generationen [zu vermeiden]“.
Der benötigte Zeitbedarf bis zur endgültigen Standortentscheidung zieht die Glaubwürdigkeit des gesamten Verfahrens in Zweifel. Es ist zudem fraglich, ob ein derart langes Verfahren zu mehr Sicherheit und mehr Akzeptanz führt. Daher sollte im Rahmen des lernenden Verfahrens eine Ursachenanalyse für den hohen Zeitbedarf der Endlagersuche erfolgen und die Diskussion zugelassen werden, wie das Suchverfahren verschlankt werden kann. Das Suchverfahren sollte dabei neben der Endlagersicherheit auch die Generationengerechtigkeit, die Zwischenlagerung, die Akzeptanz sowie die Finanzierbarkeit und die Machbarkeit des Vorhabens angemessen berücksichtigen. Ziel sollte ein Endlagersuchverfahren mit überschaubarem Zeitrahmen sein. Eine Grundlage für eine offene Analyse und mögliche Korrekturansätze für das Endlagersuchverfahren enthalten z.B. die Veröffentlichungen von Herrn Prof. Thomauske (Artikel in der atw, Ausgabe 3, Mai 2023) und Herrn Prof. Röhlig (Artikel in der atw, Ausgabe 4, Juni 2023).
Ein wesentlicher Aspekt für ein konstruktives Endlagersuchverfahren ist eine transparente Kommunikation und Diskussion über die Anwendung des Begriffs „bestmögliche Sicherheit“. Nach § 1 des StandAG ist der Standort mit der „bestmöglichen Sicherheit“, der, „[…] der im Zuge eines vergleichenden Verfahrens aus den in der jeweiligen Phase nach den hierfür maßgeblichen Anforderungen dieses Gesetzes geeigneten Standorten bestimmt wird.“ Durch die Entscheidungen zum Verfahrensaufwand, der Gewichtung von Kriterien, Auslegung etc., die im vergleichenden Verfahren zum Ausschluss von Standortoptionen führen, haben die Akteure einen maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis. Dieser Sachverhalt muss klar kommuniziert, diskutiert und akzeptiert sein. Ein konstruktives Verständnis der gesetzlichen Anforderungen von allen Beteiligten könnte, neben einer Straffung des Verfahrens, zum deutlich schnelleren Abschluss der Endlagersuche führen. Dies zeigt auch ein Blick auf andere Endlagersuchverfahren im Ausland wie z.B. in der Schweiz.
Unter dem Namen „Unterstützung des BASE bei der Prozessanalyse des Standortauswahlverfahrens (PaSta)“ lief von 04/2020 - 02/2024 (Pausierung 02/2021 – 03/2023) ein BASE-Forschungsprojekt, das sich mit der frühzeitigen Erarbeitung einer Gesamtprozessanalyse für das mit dem Standortauswahlgesetz vorgegebene Standortauswahlverfahren beschäftigte.
Es wurden unter anderem diejenigen Verfahrensschritte identifiziert, die in wechselseitiger Abhängigkeit die Gesamtdauer des Verfahrens maßgeblich beeinflussen. Daraus ergibt sich, dass die notwendige Interaktion der verschiedenen Akteure im Verfahren untereinander sowie die zeitlichen Abhängigkeiten ihrer Verfahrensschritte zueinander auf die Dauer des Verfahrens wirken. Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass selbst bei einem idealen Projektablauf damit gerechnet werden muss, dass das Verfahren erst im Jahr 2074 abgeschlossen werden kann. Zugrunde gelegt wurde dabei, dass die gesetzlichen Bedingungen unverändert bleiben und in Phase III des Suchverfahrens eine untertätige Erkundung in aufgefahrenen Bergwerken durchgeführt wird.
- Überblick
- Die neue Endlagersuche
- Ablauf des Standortauswahlverfahrens
- Schritt 1 der Phase I
- Schritt 2 der Phase I
- Spezieller Frage-/Antwortkatalog zum Arbeitsstand der BGE
- Zeitbedarf der Endlagersuche
- Zeitbedarf der Endlagersuche im Ausland
- Weiterführender fachlich fundierter Frage-/Antwortkatalog
Weiterführende Informationen
Gesetzliche Grundlagen
- Standortauswahlgesetz (StandAG)
- Endlagersicherheitsanforderungsverordnung (EndlSiAnfV)
- Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung (EndlSiUntV)
Aktuelle Links
- Rahmenterminplanung für Schritt 2 der Phase I bis zum Vorschlag der Standortregionen, Stand 01.12.2023 der BGE
- Diskussionspapier - Auf dem Weg zu den Standortregionen Veröffentlichung von Arbeitsständen aus den rvSU, Stand 15.01.2024 der BGE
- Veröffentlichung der BGE „Vorgehen zur Ermittlung von Standortregionen aus den Teilgebieten, Stand 04.10.2023“
- Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Unterstützung des BASE bei der Prozessanalyse des Standortauswahlverfahrens (PaSta)“
Links zu aktuellen Veranstaltungen
- Liste der aktuellen Termine auf der Internetseite des NBG
- NBG-Veranstaltungsreihe „Endlagersuche international“
- Internetseite zur Onlineveranstaltungsreihe Forumstage
- Veranstaltungsseite zum 3. Forum Endlagersuche
- NBG-Veranstaltung "Rückblick: Wie lief das 3. Forum Endlagersuche?"
Links zum bisherigen Verfahren
- Zeitliche Betrachtung des Standortauswahlverfahrens aus Sicht der BGE und weitere Dokumente
- Artikel aus der Fachzeitschrift atw 03-2023: "Ist das Standortauswahlver-fahren gescheitert?" von Prof. Bruno Thomauske
- Stellungnahme des BASE zur ersten zeitlichen Betrachtung des Stand-ortauswahlverfahrens
der BGE - Artikel aus der Fachzeitschrift atw 04-2023: "Zum Zeitplan des Standort-auswahlverfahrens für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle in Deutschland" von Klaus-Jürgen Röhlig
Weitere Internetseiten
- Informationsplattform des BASE zur Endlagersuche
- Nationales Begleitgremium (NBG)
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
- Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)
- Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)
- Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe
- Internetforum BGE
- Rat der Jungen Generation bei der Atommüll-Endlager-Suche (RdjG)