Gentechnische Herstellung von Pharmaka
Eine Vielzahl von Arzneimittelwirkstoffen und Substanzen für die Diagnostik werden mit Hilfe gentechnischer Produktionsverfahren hergestellt. Auch die Kosmetikindustrie setzt zunehmend auf gentechnische Methoden bei der Herstellung von Hautpflegeprodukten. Die Produktion erfolgt dabei ausschließlich in geschlossenen Systemen. Im Endprodukt sind nach dem Aufreinigungsprozess weder Organismen noch Bestandteile davon nachweisbar.
Arzneimittelwirkstoffe, Impfstoffe und Diagnostika
Seit den 1980ern werden mit Hilfe von gentechnisch veränderten Produktionsstämmen (Bakterien, Hefen, Zellkulturen) Arzneimittelwirkstoffe, Impfstoffe und Enzyme für die Diagnostik synthetisiert. In Deutschland befinden sich derzeit 381 gentechnisch hergestellte Arzneimittel und Impfstoffe mit 341 Wirkstoffen auf dem Markt, wovon 61 aus deutscher Produktion stammen (Stand: 10.01.2024). Hierbei handelt es sich ausschließlich um komplexe Eiweißwirkstoffe wie zum Beispiel Hormone, Antikörper oder Enzyme.
Eine lange Tradition hat die Gewinnung von pharmazeutischen Wirkstoffen aus Pflanzen und Tieren. Eine relativ neue Entwicklung in diesem Bereich ist das sogenannte „Pharming“. Hierunter versteht man die Produktion von Arzneimittelwirkstoffen durch Tiere und Pflanzen, denen die entsprechende Erbinformation mit Hilfe gentechnischer Methoden übertragen wurde (z. B. die Produktion von Eiweißen als Bestandteil der Milch). Bisher besaßen bzw. besitzen zwei Medikamente gegen seltene Erbkrankheiten Genehmigungen für das Inverkehrbringen in der gesamten EU. Hierbei handelt es sich um den Gerinnungshemmer Antithrombin III (Zulassung: 28.07. 2006), der aus Ziegenmilch isoliert wird, sowie das Blutplasmaprotein C1-Esterase-Inhibitor (Zulassung: 28.10.2010), das aus Kaninchenmilch gewonnen wird. Die EU-Genehmigung für den Gerinnungshemmer wurde 2018 auf Antrag des Zulassungsinhabers zurückgenommen. Der erste in Pflanzen hergestellte Wirkstoff, das Enzym Taliglucerase alfa aus Karottenzellen, erhielt im Mai 2012 in den USA eine Zulassung zur Behandlung einer seltenen Erbkrankheit, bei der der Fettstoffwechsel gestört ist (Morbus Gaucher Typ 1). Allerdings beobachtete man bei dem Wirkstoff starke Nebenwirkungen, was die Zulassungsbehörde veranlasste, die Sicherheitskennzeichnung im August 2014 zu ändern. Eine Zulassung in der EU wurde nicht erteilt, da bereits zwei Medikamente gegen Morbus Gaucher zugelassen sind. Am 24.02.2022 wurde in Kanada ein rekombinanter pflanzenbasierter Impfstoff gegen COVID-19 zugelassen, der von Tabakpflanzen in großen Gewächshäusern produziert wird.
Enzyme kommen sowohl in der Therapie (zum Beispiel Thrombin zum Auflösen von Blutgerinnseln) als auch in der Diagnostik (zum Beispiel Glucoseoxidase bei der Blutzuckermessung) zum Einsatz. Sie spielen aber auch bei der Produktion von sogenannten chiralen Arzneimittelwirkstoffen eine wichtige Rolle. Eine Reihe von Molekülen kommt in zwei zueinander entgegengesetzten Formen (Bild und Spiegelbild) vor. Trotz der nahezu identischen Struktur können sich beide Formen in ihrer Wirkweise stark voneinander unterscheiden. Enzyme sind in der Lage, gezielt die gewünschte Struktur zu synthetisieren. Bei der chemischen Synthese ist dies zum Teil überhaupt nicht oder nur mit hohem technischen Aufwand möglich.
Hautpflegeprodukte
Moderne Kosmetikprodukte zur Pflege der Haut sowie zur Behandlung diverser Hautstörungen nutzen vielfach biologische Substanzen als Wirkstoffe.
Hyaluronsäure, ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes und der Gelenkflüssigkeit, wird aufgrund ihrer wasserbindenden und viskoelastischen Eigenschaften in vielen Bereichen der Medizin eingesetzt (Augenoperationen, Augentropfen, nachoperative Wundversorgung, Arthrose, Arthritis). Auch für die ästhetische Medizin spielt sie eine große Rolle, da sie sich zur Versorgung von Brandwunden ebenso eignet wie für den Aufbau von Gesichtskonturen, die Modellierung von Lippen und die Faltenunterspritzung. Hyaluronsäure wurde früher aus dem Gewebe von Vögeln isoliert. Mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen kann nichttierische Hyaluronsäure gewonnen werden, wodurch potenzielle Allergien gegen Vogelallergene ausgeschlossen werden.
Innovative Seidenproteine auf der Basis von Spinnenseide werden mit einem biotechnologischen Verfahren von rekombinanten Bakterien im kommerziellen Maßstab produziert. Die Biopolymere sind extrem leicht, reißfest und gleichzeitig elastisch, widerstandsfähig, antimikrobiell, wundheilungsfördernd, steril und biologisch abbaubar. Sie eignen sich daher für unterschiedliche Einsatzbereiche wie in der Medizintechnik (z. B. beschichtete Implantate, Wundauflagen), Kosmetik (z. B. Hautschutz mit Anti-Aging-Effekt, Narbengel) und in Textilien (z. B. Uhrenarmbänder, Sportschuh). Durch den Einsatz von Spinnenseide könnten in zahlreichen Produkten die Kunststoffbestandteile ersetzt werden, so dass weniger Mikroplastik in die Umwelt gelangt.
Enzyme sind auch bei der Hautpflege wichtige Helfer. Lipasen verbessern das Hautbild, indem sie überschüssiges Hautfett und verdichtete Talgdrüsensekrete entfernen. Proteasen helfen, oberflächliche Falten zu glätten, indem sie verhorntes Zellmaterial abbauen. Beide Enzyme sind deshalb Bestandteile von Peeling-Produkten, die zur gründlichen Reinigung der Haut angeboten werden. Anti-Aging-Formulierungen nutzen die katalytischen Eigenschaften vor allem von Enzymen wie Coenzym Q10 oder Superoxid-Dismutase, die die Auswirkungen von oxidativem Stress vermindern helfen und damit der Haut ein jüngeres und strafferes Aussehen verleihen. Zur Regeneration sonnengeschädigter Haut sollen Endonukleasen beitragen, die UV-geschädigte DNA abbauen helfen.