Transgene Pflanzen
Auf Grund biologischer Schranken können nur bestimmte, relativ eng verwandte Pflanzen miteinander gekreuzt werden. Mit Hilfe der Gentechnik kann dagegen ein einzelnes Gen, das die Ausprägung einer gewünschten züchterischen Eigenschaft steuert, unabhängig von seiner biologischen Herkunft direkt in das Erbgut einer Pflanze übertragen werden. Auf diese Weise entstehen transgene Pflanzen, deren Erbinformation in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen verwandter Arten oder durch natürliche Rekombination nicht vorkommen.
Transgene Nutzpflanzen werden weltweit seit 1985 in Freilandversuchen getestet und seit 1996 kommerziell angebaut.
Heute spielen im Anbau hauptsächlich Merkmale wie Herbizidtoleranz und Schädlingsresistenz eine wesentliche Rolle.
Bei der Entwicklung neuer Sorten stehen vor allem
- Anbaueigenschaften (Stresstoleranz)
- produktionstechnische Eigenschaften (Nachwachsende Rohstoffe, Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen) und
- ernährungsphysiologische Eigenschaften (Pflanzen mit veränderter Produktqualität) im Vordergrund.
Herbizidtolerante Pflanzen
Kulturpflanzen wie Mais, Raps, Soja, Baumwolle, Reis oder Zuckerrüben sind durch die Übertragung bestimmter Gene aus den Bodenbakterien Agrobacterium tumefaciens und Streptomyces viridochromogenes gegenüber der Wirkung von Herbiziden mit den Wirkstoffen Glufosinat oder Glyphosat unempfindlich. Bis 2018 wurden herbizidtolerante transgene Pflanzen weltweit am häufigsten kommerziell angebaut. 2019 übernahmen diesen Platz erstmals transgene Pflanzen mit kombinierten Merkmalen, sogenannten „stacked events“, aus Herbizidtoleranz und Insektenresistenz.
In Europa sind keine transgenen herbizidtoleranten Pflanzen für den kommerziellen Anbau zugelassen.
Schädlingsresistente Pflanzen
Schädlingsresistente Pflanzen werden weltweit ebenfalls im großen Umfang kommerziell angebaut. Diese transgenen Pflanzen mit einem oder mehreren Genen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis, sogenannte Bt-Pflanzen, produzieren Eiweißstoffe, die für Larven bestimmter Fraßschädlinge (Maiszünsler, Maiswurzelbohrer, Baumwollkapselbohrer, Roter Baumwollkapselwurm) giftig sind und zum Absterben der Larven führen. Am weitesten verbreitet sind Mais und Baumwolle mit einer Bt-Resistenz.
In Europa besitzt der gentechnisch veränderte Mais der Linie MON 810 als einzige transgene Pflanze eine Anbauzulassung. Nachdem dies durch die EU-Richtlinie 2015/412 ermöglicht wurde, hat sich Deutschland wie viele weitere Mitgliedstaaten 2016 vom Geltungsbereich der MON 810 Zulassung ausnehmen lassen. Seitdem ist der Anbau von MON 810 in Deutschland nicht mehr möglich.
Stresstolerante Pflanzen
Angesichts des weltweiten Wasserverbrauchs der Landwirtschaft und der Folgen des Klimawandels steigt die weltweite Nachfrage nach stresstoleranten Pflanzen. Unter anderem in Nordamerika ist eine trockentolerante Maissorte für den Anbau zugelassen. Ein aus dem Bodenbakterium Bacillus subtilis übertragenes Gen (cspB, cold shock protein B) schützt die transgenen Maispflanzen zu einem gewissen Grad vor Stressreaktionen, ausgelöst durch Wassermangel. Dadurch sollen Ernteverluste reduziert werden. Ende April 2015 erhielt diese Maissorte die EU-Zulassung für den Import und die Verarbeitung als Lebens- und Futtermittel, nicht jedoch für den Anbau.
Trockentolerante Sojabohnen mit einem Gen aus der Sonnenblume, das u. a. die Empfindlichkeit gegenüber dem Pflanzenhormon Ethylen verringert und somit die Stressreaktion der Pflanze bei Dürre beeinflusst, sind in Ländern von Nord- und Südamerika für den Anbau zugelassen. In Europa wurde im Herbst 2020 die Importzulassung beantragt. Weizen mit dem gleichen HB4-Gen aus der Sonnenblume wurde ebenfalls im Herbst 2020 in Argentinien zugelassen und 2022 erstmals angebaut. Die Genehmigung für den Anbau in Brasilien folgte Anfang 2023. In mehreren Ländern, darunter die USA, Australien, Neuseeland, Kolumbien, Südafrika und Nigeria, ist der Import erlaubt. Beide Kulturarten tragen zusätzlich ein bakterielles Gen, das ihnen eine Herbizidtoleranz verleiht.
Nachwachsende Rohstoffe
Verschiedene Kulturpflanzen dienen nicht nur der Nahrungsmittelproduktion, sondern werden auch als Industrierohstoffe eingesetzt. Ungefähr ein Drittel der jährlichen Kartoffelproduktion wird in Deutschland von der stärkeverarbeitenden Industrie abgenommen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften müssen die Kartoffelstärkeanteile Amylopektin und Amylose voneinander getrennt werden. Der Stärkeanteil Amylopektin dient hauptsächlich als Grundstoff für Folien, Kleister und Verpackungen.
Im Frühjahr 2010 wurde von der Europäischen Union die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora zugelassen, deren Stoffwechsel so verändert wurde, dass sie nur noch Amylopektin produziert. Wegen Verfahrensfehlern erklärte das Gericht der Europäischen Union am 13.12.2013 die Zulassung für nichtig. Daneben stehen auch sogenannte Einstärkekartoffeln aus klassischer Züchtung zur Verfügung.
In Australien wurde 2018 eine gentechnisch veränderte Färberdistel mit einem hohen Anteil an Ölsäure (93 %) für den Anbau zugelassen und wird seit 2019 dort auch angebaut. Die Pflanze mit dem veränderten Fettsäureprofil dient als nachwachsender Rohstoff für die technische Verwendung zur Produktion von Industriefetten und –ölen und ersetzt entsprechende Produkte aus Erdöl.
Pflanzen mit veränderter Produktqualität
Bestimmte mehrfach ungesättigte Fettsäuren, u. a. die sogenannten Omega-3-Fettsäuren (z. B. Linolensäure) sind essentielle Bestandteile der Nahrung, da sie vom Körper nicht hergestellt werden können. Werden allerdings Pflanzenöle mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren stark erhitzt oder zu Margarine verarbeitet, entstehen die aus ernährungsphysiologischer Sicht unerwünschten Trans-Fettsäuren, die im Verdacht stehen, Herzkreislauferkrankungen zu fördern.
Gentechnisch veränderte Sojabohnen mit veränderter Fettsäurezusammensetzung (erhöhter Gehalt an Ölsäure, einer einfach ungesättigten Fettsäure; erniedrigter Gehalt an Linol- und Linolensäure, sogenannte mehrfach ungesättigte Fettsäuren, und Palmitinsäure, einer gesättigten Fettsäure) sowie mit einem erhöhten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren sind unter anderem in Ländern in Nord- und Südamerika und Asien für den Anbau zugelassen, ebenso wie eine Rapssorte mit erhöhtem Omega-3-Fettsäuregehalt. Alle Sorten tragen zusätzlich eine Herbizidtoleranz. Die transgenen Sojabohnen besitzen die EU-Zulassung für den Import und die Verarbeitung als Lebens- und Futtermittel, nicht jedoch für den Anbau.
Ende 2014 bzw. Anfang 2015 erhielten in den USA Kartoffeln („Innate“) bzw. Äpfel („Arctic Apples“ der Sorten Granny Smith und Golden Delicious), die nach dem Anschneiden nicht mehr braun werden, die Anbauzulassung. Die Kartoffeln bilden darüber hinaus beim Erhitzen (z. B. Frittieren) weniger Acrylamide. Im Gegensatz zu transgenen Pflanzen enthalten diese gentechnisch veränderten Kulturpflanzen keine artfremden Gene. Vielmehr wurden bestimmte Gene, die für die unerwünschten Effekte mitverantwortlich sind, durch gentechnische Methoden gezielt ausgeschaltet (Gene silencing). Eine weitere Kartoffelsorte, die zusätzlich noch gegen die Kraut- und Knollenfäule resistent ist, wurde Anfang 2016 von den US-Behörden zugelassen. Für keine dieser Sorten ist eine EU-Zulassung beantragt.
Mitte 2021 erteilten die Zulassungsbehörden der Philippinen die Anbaugenehmigung für lokal angepasste Sorten des gentechnisch veränderten Goldenen Reises, dessen Körner Beta-Karotin, eine Vorstufe des Vitamins A, produzieren und den Körnern ihre typische gelb-orange Farbe verleiht. In den Philippinen sind ca. 20 % der Kinder von Vitamin A-Mangel betroffen, weltweit rund 190 Millionen Kinder und Jugendliche. Vitamin A-Mangel ist die häufigste Ursache für Erblindung im Kindesalter und schwächt zudem das Immunsystem. Je nach Sorte und Standort kann der Goldene Reis zwischen 30 %und 80 % des täglichen Bedarfs an Vitamin A decken. Zwischen der Entwicklung Ende der 1990er Jahre an der ETH Zürich, seit 2006 durch das Internationale Reisforschungsinstituts der Philippinen, und der Zulassung sind mehr als 20 Jahre vergangen. Kleinbauern sollen den Reis kostenlos erhalten, Nachzüchtung und Wiederaussaat sollen für den Eigengebrauch erlaubt sein, ohne jegliche Lizenz- oder Patengebühren. In Bangladesch ist die Anbauzulassung beantragt.
Weiterführende Informationen
- Verwaltungsverfahren
- Gentechnisch veränderte Maislinie MON 810
- Gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora
- Sicherheitheitskonzept für Freisetzungen
- Sicherheitskonzept für das Inverkehrbringen
- Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen - EUR-LEX
- Durchführungsbeschluss (EU) 2016/321 der Kommission vom 3. März 2016 zur Anpassung des geografischen Geltungsbereichs der Zulassung zum Anbau von genetisch verändertem Mais (Zea mays L.) der Sorte MON 810 (MON-ØØ81Ø-6)